GERTRUDE STEIN – schreiben…

… dann kommen sie mit schockartiger überraschung zu uns – die dinge, die wir wissen. mit der schockartigen überraschung kenne ich mich auch heute noch – oder auch wieder – gut aus. erst heute nacht warf es mich aus meinem schlaf – direkt an meinen mac – und schrieb mich. dass es mich schreibt ist für mich der beweis, dass es nicht irgendwie zusammengeschockert in mein geschriebenes sich drängt – sondern, dass es fliesst – fliesst aus dem, was in meinem denkprozess sich bereinigt und niedergelassen hat. erst dann ist es echt und mir grund genug, in worte – oft auch bilder – gefasst zu werden.   2006, da schrieb ich auch schon nicht mehr mit der feder, aber es war mir noch in meinem bewußtsein, wie dieses von mir verfasste die blutkanäle hinab aufs papier floss.

Posted on by

also, wenn wir schreiben, schreiben wir; und die dinge die wir wissen fliessen unseren arm hinunter und werden auf dem papier sichtbar. noch kurz bevor wir sie schreiben, wussten wir eigentlich gar nicht, dass wir sie wissen; wenn sie in unserem kopf als wörter geformt sind, dann ist das ganz falsch und sie werden wie tot herauskommen; aber wenn wir bis zum augenblick des schreibens nicht wussten, dass wir sie wissen, dann kommen sie mit schockartiger überraschung zu uns.‘

diese gewissheit, wenn ich doch nur auf sie vertrauen könnte. oft mache ich die gleichen erfahrungen, dass ‚mich etwas schreibt’, dass wir das, was wir wissen, nicht erst in worte fassen können, ehe wir sie schreiben. der denkprozess wäre ein doppelter, ein bereinigter, sozusagen, nicht echt, nicht fliessend. ich mache die erfahrung, wie die sätze dann stolpern, wie sie um die ecke denken, wie sie sich zieren vielleicht, oder aufspielen, etwas besonderes ausdrücken wollen, ohne dass sie es erreichen.

nun schrieb gertrude stein, eine sehr eigenwillige und wagemutige schreiberin, mit dem stift oder füllhalter. da fliesst es auf eine besondere art und weise und das gefühl des fliessens wird durch die tinte sichtbar. die wörter fliessen vom kopf den arm hinunter durch die hand und den füller aufs papier ohne unterbrechung, es sei denn, die gedanken im kopf sind nicht konzentriert beieinander.

ich schreibe gern in den pc. da kann ich die wörter schneller herauslassen als beim schreiben mit der hand. die gedanken sind ja schnell, schnell wie blitze – blitzgedanken sozusagen. da muss ich schnell hinterher, sonst überlagern sie sich, verwickeln sich miteinander und ich kann sie nicht mehr entwirren. dass sie mit ‚schockartiger überraschung’ zu mir kommen ist höchst selten. aber manchmal wundere ich mich schon, wie sich das angesammelte wortgewitter entlädt. wie ein bunter regenbogen steigen dann die sätze vor mir auf. farbenprächtig, in vielen farben glitzernd, und manchmal leuchtet auch eines zwischendrin – wie ein stern, der das ganze erhellt, der mir den weg weist. dann eile ich ihm hinterher, bis er nicht mehr zu sehen ist und auch mein wortwettern sich beruhigt.
jetzt flunkert die sonne mir was vor und wäre auch fähig, mich zu inspirieren. aber ich kann ja nicht allen gleichzeitig hinterher.

rosadora

INSEL SIEBENBERGEN – immerwieder…

manchmal möchte ich des nachts hier an diesen ort kommen, um dem auf die spur zu kommen, was die wirkkräfte der natur antreibt, was sie hervorbringt, um uns zu erfreuen und welchen grund es noch geben kann, den menschen und der welt zu beweisen, was leben bedeutet. die natur ist wohl der erste ausdruck dessen, was es in der wirkkraft des seienden zu betrachten gilt. uns menschen zum geschenk – das wäre vermessen anzudenken.
die farbkraft überwältigt mich – deshalb habe ich sie diesmal farblich gebündelt, um die wirkung noch zu verstärken. eine steigerung in farbe und form zu meinem letzten besuch ist deutlich wahrnehmbar – auch der farbwechsel ist nicht zu übersehen.wie sie sich zusammentun, diese sich vielfach zeigenden gewächslein bis gewächse – zusammenstehn erhöht das sich finden in spezieller weise. das vereinzelte sichzeigen birgt gefahren…
einmal nur – einmal möchte ich PFLANZE oder – überheblicher noch – BAUM sein, um dem LEBENSGEHEIMNIS auf die spur zu kommen. überheblicheres gibt es kaum, aber was solls, der wunsch ist vorhanden…

den BLAUGLOCKENBAUM füge ich noch hinzu. er ist mir ein besonderer und überrascht mich in diesem jahr (im gegensatz zu dem vergangenen) mit reichlichem
knospenansatz. dass er zur blüte kommt, werde ich hoffentlich bei meinem bald nächsten besuch der insel noch erleben. ein erlebnis ist es für mich, weil er in den vergangenen jahren sich oft schwerfällig gab – in diesem jahr also meine besondere aufmerksamkeit erhält.


ach erklärend noch zu diesem häuschen auf der SCHWANENINSEL: mein vater eröffnete mir – da war er schon im sterben begriffen und manch einer hat da vielleicht den wunsch – sich zu offenbaren, ihm noch wichtiges mitzuteilen. also er TEILTE MIR MIT, dass ich an WALPURGIS auf dieser kleinen insel – so zurückgezogen also – GEZEUGT WURDE – EIN KIND DER LIEBE.
walpurgis ist hexentag – vielleicht hätte ihm das sogar noch mehr gefallen, eine kleine hexe gezeugt zu haben. ich stelle mir vor, wie er das kirchernd in sich hinein vor mir verborgen hätte, oder irre ich da…

AN EINEM TAG WIE DIESEM…

…oder ehemals KOMPOSTLOCH
meine betreuerin – bettina westhelle
auch ihr handy durfte ich benutzen
ich hatte – mal wieder – meine kamera
zu hause vergessen…

und schwupp – es war so nicht vorgesehen – bin ich wieder im kompostloch in der aue. das wetter hat den tag noch mal gerettet. draussen zu sein ist zur zeit ein gewinn. alles zirpt und piept und auch die menschen lachen.

das kompostloch wieder teils unter wasser. kompostloch kann ichs fast nicht mehr nennen. die firma … hat das erdreich durchgewalkt und neu verteilt. und in zwei jahren soll es dan gänzlich dem park zugeordnet werden – sagt maik, der gärtner von der insel siebenbergen. der muß es ja wissen. war er doch jahrelang damit beschäftigt, die kompostabfälle der insel in das kompostloch verbringen.
bettina sagt, was für ein schwachsinn, wie soll das denn gehn. naja ich denke, es könnte einen badeplatz abgeben – so viel wasser hat sich angesammelt und scheint nicht weichen zu wollen. auch während meiner vergangenen beobachtungsphase gab es immer wieder größere wasserpfützen – aber der jetztzustand gibt zu denken

es will, es will einfach nicht platt gemacht werden – dieses kleinod – und das ist oder besser war es einmal EIN KLEINOD, auch hatte ich doch ernsthaft und voller ehrgeiz das bestreben, es zu erhalten. die besucherinnen und besucher – kinder nicht ausgenommen – äußerten den wunsch auf bestehen und dauerhaftigkeit des besonderen KUNSTWERKS. meine bemühungen, es mit meiner MOMENTKUNST dauerhaft zu beleben und treffpunkt und spielplatz sein zu dürfen, schlugen fehl. auch pierre huyghes hatte es für gut geheißen aber…
achja, dann wars nicht gehfest und schwupp lag ich da.

das klettenlabkraut – etwas zu üppig gewachsen – will zu einem kranz gebunden werden. nach der umschichtung scheint alles wie mit einem superdung angereichert. ein spezielles erntegeschenk und danke…

dass es mich heute immerwieder lockt,läßt – in menschenworten gesprochen – auf eine tiefe freundschaft schließen und selbst dann, wenn nichts mehr darauf hinweisen wird, dass hier einmal mein kompostloch erlebbar war, werden ich mich immer erinnern, dass hier doch einmal….

INSEL SIEBENBERGEN im april…

oder – es grünt so grün…

 

ein sommertag im april auf der insel – das ist schon was besonderes. für mich ist es einer der schönsten plätze in kassel.
die pflanzen in ihrem ursprünglichen bemühen zu fotografieren und viele schon in ihrer vollen blüte zu erleben, ist ein unvergessliches erlebnis. das große beet, gleich links nach der brücke, ist farblich jedesmal ganz besonders.
es wird noch eifrig gepflanzt – die jungen gärtnerinnen und gärtner tun es mit freude – wie sie sagen.
ich treffe auch maike – er ist schon über 25 jahre auf der insel und kennt jeden baum und strauch. gern gibt er auskunft – das ist ein zusätzlicher gewinn.

 

ich fotografiere und weiß kaum eine auswahl zu treffen. die frühblüher in ihrer vollsten blüte locken zuallererst. aber auch die winzlinge, die sich eben aus dem erdreich bemühen – woher nehmen sie all die kraft – haben meine volle aufmerksamkeit.
wir spiralen uns einmal durch die ganze anlage – doch alles sehen kann man bei einem rundgang lange nicht.


die großen bäume lassen es vorsichtig angehen- sie sind die schlaueren wenn sie denken, dass es noch nicht zeit ist so überschwenglich zu sein…

baumrinden erzählen ganze geschichten. sie bergen sie in ihrer dicken runzligen rinde…

grüner als wolfsmilch ist hier nichts – ein wunderbar frisches und erfrischendes grün…

ein weiteres- und noch ein weiteresmal ist angedacht. es gibt dauerkarten…

F R I E D E N – NIE WIEDER KRIEG…

heute will mir das wort FRIEDEN gar nicht mehr aus dem kopf gehn. ich kann es aussprechen so oft ich will, er will sich einfach nicht einstellen – dieser frieden. zu groß sind die begehren der menschen, als dass sie sich erfüllen liessen – die begehren fressen den frieden.

mit meiner kleinen briefmarkenschau ist das gut darzustellen. in den kindern sind die hoffnungen noch vorhanden – und die L I E B E versinnbildlicht wie es gehn könnte. wenns doch so einfach wäre.

käte kollwitz hat diesen mensch mit zum himmel emporgestreckter hand in einer schreckenszeit gemalt. viele in meinem alter können sich da gut erinnern – oder… dass es heute jetzt – oder heute noch – ohne unterbrechung aktuell ist läßt erkennen, dass die menschen unbelehrbar sind, dass ihnen grundlegendes fehlt,
um in ruhe und frieden zu leben.

ich bleibe bei den briefmarken – der liebeskuss der kinder – nicht unbedeutend aus der schweiz – liesse hoffen, dass es einen besseren weg geben müsste –
ja müsste, wenn…

der kleine junge, sohn des oskar blase, der professor an den uni kassel war, hieß, ich glaube mich zu erinnern, wie mein sohn – BORIS. vor 55 jahren genau war die hoffnung noch nicht ganz verloren – die kleinen hoffnungsträger sind heute 60 – und es schien als ob….

und LOVE (das herzchen krieg ich in diesem programm nicht) also L O V E – die L I E B E kommt aus USA „rübbergeschwabbt“ und müßte (um die ecke gedacht) somit die ganze welt umschliessen. das wärs doch.

verlieren wir das HOFFEN nicht, vergessen wir die LIEBE nicht – und wie formt der alte beethoven das in seiner neunten – ALLE MENSCHEN WERDEN BRÜDER –
ich verbessere und SCHWESTERN. na, so könnte es doch gehn….

rosadora

ERINNERUNG … 5. APRIL 2016

dass ich diesen artikel gerade heute finde…

nein, es ist kein zufall – wenn doch, dann haben zufälle ihre gesetzmäßigkeit
jedenfalls bei mir.
es scheint, als habe sich in der zwischenzeit an der weltlage nichts geändert.
ich wills nicht näher ausführen – ihr wisst es genauso wie ich.
die lage ist schief im übelsten sinne.
um nicht verrückt zu werden, muss man neben den welttragödien versuchen,
das annehmbare und gute und auch schöne nicht ausser blick zu lassen.
ja, es gibt es – auch – das schöne. legen wirs drauf an – versuchen wir ein
zipfelchen davon zuentdecken und sagen danke…
auch in diesen jahr hatte ich wieder sehr schöne begegnungen AUF DER TREPPE….
rosadora

GESPRÄCHE UNTER KIRSCHBLÜTEN…

KIRSCHBLÜTE – GUSTAV-MAHLER-TREPPE

syrienfreunde_P1450560gustav-mahler-treppe
kirschlütenbeginn
treffen mit alten und neuen syrischen freunden

ahmad
wael
iyyad
othman
devvie

SYRIENFREUNDE I_KIRSCHBLÜTE MAHLERTREPPE_04.044_bearbeitet-1devvie fotografiert

zwei von ihnen hatte ich schon beim
wasserpfeifenrauchen am auebasin getroffen
einer von ihnen erkannte mich wieder
die fotografin…

alles beginnt
auch freundschaften
unter blütenbäumen
KIRSCHBLÜTE MAHLERTREPPE_II_04.042_bearbeitet-1wir unterhalten uns lange
haben spass
auch trauriges wie der krieg in aleppo
den der jüngste ahmad von ihnen erlebt hat
wir alle
am fuße des großen kriegsmüllhanges
in der aue – dem rosenhang…
welch großes symbol

sie studieren
zwei ´backpfeifen´
devvie 35 ist die älteste
und ärztin aus indonesien
ein zahnarzt 28
der mir neue zähne machen will…
ein bauingenieur

wael spricht augesprochen einwandfrei
deutsch – nach 3 monaten
auch mit den anderen kann ich mich auf deutsch
gut verständigen
sie scheinen nicht nur talent sondern
einen bewundernswerten ehrgeiz zu besitzen

warum ich so glücklich bin sie zu treffen
es geht ein hoffen von ihnen aus
sie leiden an der augenblicklichen
weltsituation
den vielen kriegen
und mir ist ganz übel
wenn ich darüber nachdenke

sie werden dazu beitragen
dass die hoffnung und die freude
wieder in die welt kommt
wenn einer von ihnen auch äußert
dass sie – die welt –
verloren ist – zugrunde gehen wird

sie sind zwischen 18 und 28 jahre
eine generation
der die weltentrümmer um die ohren fliegen
und der ich die kraft wünsche
dass sie etwas verändern können
dass sie eine chance bekommen
nicht zu retten – das wäre traumtänzerisch
aber sie zu verändern
weiterhin eine lebensgrundlage zu schaffen

das war mein geschenk zum gestrigen tag
nachdem ich schon verwöhnt worden war
von der sonne
und ich im tschingis khan draussen
zum essen sitzen konnte

RICHARD S E R R A …

ich liebe serras skulpturen.

das schwere machte er leicht.

seine skulpturen wachsen in den himmel und verschmelzen mit der natur, das ist das vertraute und gemeinsame mit den menschen.

das zusammenspiel von technik und natur machte es, dass sie wie für den menschen geschaffen schienen.

seine werke aus edelroststahl wurden in den hallen der schwerindustrie erstellt. dort schaffte richard serra gemeinsam mit den arbeitern und stadtplanern

seine formensprache ist unübertroffen, ihre größe ist unübersehbar und einprägsam. eines der beliebtesten werke ist die begehbare ibstallation in bilbao von 2005.

serras TERMINAL 1977documenta  und TRUNK skulptur, standen einst in kassel auf der doc. 7 und 8.

 

 

 

 

 

 

 

 

 

seine unverwechselbaren eindrücklichen bilder fand ich im städel in ffm.

schwarz – das alle anderen farben enthält- schwarz – das platz macht – schwarz – das fantasieen raum läßt, es enthält das dunkle der nacht – unterstreicht eindrücklich das helle des tages.

nun gehn sie allmählich alle – die großen – die eindrückliches uns hinterlassen haben. wehmütig verabschiede ich mich von RICHARD SERRA – einem der ganz großen.

rosadora

 

 

 

 

KIRSCHBAUMBLÜTE – WIESO DENN NICHT…

MAHLERTREPPE IN BLÜTE

es ist intuition sag ich dir… wir wollen einen gang in der aue machen und werden in richtung mahlertreppe geführt.“geführt“ – von wem oder was denn – reine intuition – du mußt es nur zulassen.

 

 

 

 

 

glückliche menschen, fotografierende menschen, kontaktfreudige menschen – und alles nur, weil es frühling wird, geworden ist. die blühbäume vermögen es – die sonne auch und die merklich wärmeren temperaturen. alles auf anfang – ach wäre doch immer „alles auf anfang“, den hoffnunggebenden, kraftspendenden, mutmachenden und ichweißnichtwasnochalles machenden. a wie anfang – n wie nunmachdochmal – f wie freudespendend – a wie achliebmichdoch – n wie neugeboren – glaube mir!!!

die blüten scheinen mir in diesem jahr blasser als sonst all die jahre und auch kleiner außer mir äußert das niemand, naja. ich spreche mit menschen, die ich gar nicht kenne und sie freuen sich – das ist außergewöhnlich für kassel. auffallend viele junge leute  – sie hocken unter den bäumen, machen fotos, fotografieren sich gegenseitig.

achja, den penone-baum nicht vergessen. er hat darauf gewartet, dass die menschen ihn wieder in ihre mitte nehmen. noch sind es einige wenige – aber immerhin. bald, bald wenn die temperaturen wärmer werden, sitzen sie wieder um ihn herum, rauchen ihre shisha, verbringen sorglose stunden mit ihm.

mehr vom baum nächstesmal.

 

 

ANNA ELISABETH – sie ist meine mutter…

da ich so gut wie nicht unterwegs bin
fällt mir zum FRAUENTAG so garnichts ein
 
so erinnere ich mich an anna elisabeths tag – den 8. märz 2008
da war ich gerade ein jahr aus der schweiz zurück
und das war gut so – so konnten wir noch ein ganzes jahr miteinander
verbringen – vorwiegend in anna elisabeths garten, den sie 
I H R   P A R A D I E S 
nannte in dem wir eine GARTENKANTATE nach der anderen zwitscherten
und wenn jetzt die vögel morgens eifrig singen, halte ich gern einen moment inne,
und erinnere mich an die noch gemeinsam verbrachte zeit
die mir in erinnerung bleibt.

HILDE DOMIN – 22.02.2017

URWALD_MEIN BAUM_P1610254
da ist es gerissen ‚das goldene seil’ – ‚da wird schon der name gerufen’ – ‚hinweg aus der….welt, …unter die alles vermengende erde.’
‚ich komme wieder’, hatte sie noch gesagt, ‚wenn ich hundert bin’. die worte sind noch in meinem ohr. ich habe mir nicht träumen lassen, dass sie das nicht wahr machen würde, diese kleine resolute person mit den grossen worten. da war sie neunzig. kraftvoll formte sie silbe für silbe, ihr sprechen hatte einen harten ton.
der ‚böse löffel’ des ‚vergessens’ fiel nun – fast unerwartet – in die ‚schale aus schatten’. unerwartet, weil fast ein hauch ewigkeit mit der person hilde domin verbunden ist. sie war schon zu lebzeiten eine legende. da will man nicht wahrhaben, dass sie eines tage nur noch legende sein wird.

‚…die pause ist vorbei.’ 
‚stehenbleiben und sich umdrehen hilft nicht. es muss gegangen sein’. dieser letzte weg von den ‚verlierbaren lebenden’ zu den ‚unverlierbaren toten.’
 viele ihrer lebenden hatte sie schon lange verloren auf unterschiedlichste weise, aber letztlich doch die meisten durch das grosse grauen, das in die welt gekommen war. da ist es ein trost, sie bei den toten zu wissen, zu denen sie nun gehen wird, zu den unverlierbaren. 
auch von sich muss sie sich nun trennen. ‚ich muss mich von mir trennen. ich werde weggeführt von mir’. sie hat den weg lange vorher angedacht, obwohl sie hundert werden wollte. die verlängerung der lebenszeit für erfahrenes leid, für ihr genommene möglichkeiten.
 schon lange ‚immer wieder die schwarzen vögel über mich wegfliegend. diese frühaufsteher… und des abends… ein verspäteter, der in meinem haar übernachtet. ’
immer sehen wir sie, diese schwarzen vögel, immer sehen wir sie, wie sie über und um uns kreisen. ‚immer’ ihnen gegenüber ‚die geste der tapferkeit.’ obwohl wir sie, diese schwarzen verkünder, nur angsvoll ertragen und lieber haben, wenn sie andernorts kreisen – trotz der gewissheit ihrer existenz und das gerne vergessend.
 doch einmal werden ‚wir hingelegt und alles für immer erinnern – oder vergessen.’ diese unsicherheit, der wir nicht vorgreifen, der wir uns still ergeben und auf erlösung hoffen in dem erkennen: 
‚dein tod oder meiner – kostbarster unterricht: so hell, so deutlich, dass es gleich dunkel wird.’

‚am ende ist das wort,
immer
am ende
das wort’.
ich war hier. 
ich gehe vorüber
 ohne spur.
 die ulmen am weg 
winken mir zu wie ich komme,
 grün blau goldener gruss,
 und vergessen mich, 
eh ich vorbei bin.
ich gehe vorüber – aber ich lasse vielleicht 
den kleinen ton meiner stimme,
 mein lachen und meine tränen 
und auch den gruss der bäume im abend 
auf einem stückchen papier.

rosadora