erinnern…

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erinnern ist etwas langweiliges, ist etwas, das ich schon kenne, ist etwas trügerisches. es geht um erlebtes, etwas, das sich durch erinnern verändert, in die eine oder andere richtung– jenachdem. dramatisches wird gern noch dramatischer, schönes wird verklärt oder aber herabgemildert. erinnerungen sind nichts wirklich wertvolles. sie sind nicht subjektiv. das subjektive, das sich selbst belügt. es belügt sich in dem falle durch neuerlich erlebtes, das das alte überlagert, verzerrt. gefühle lassen sich täuschen. gefühle täuschen mich.
trotzdem erinnere ich mich. bei allem versuch, objektiv zu bleiben, geht das nicht. es pendelt sich ein zwischen wohlgefühl aus guten erinnerungen und wutgefühlen des niemals in den griff bekommenen. erinnerungen sind wie ein sofa, ein altes sofa. an manchen stellen kann ich noch bequem darauf sitzen, vermittelt es gemütlichkeit, an anderen sticht es mir in den hintern. ich liebe die stellen, die mich in den hintern stechen, damit ich schnell mich erhebe von dieser einlullenden bequemlichkeit.
auszuspannen von den alltäglichen gedanken, die mal dahin plätschern wie ein wiesenbach, oder mal wieder auf die bäume kraxeln, gibt es in der fantasie.
sie ist kreativ, fesselnd, denkt sich zuweilen unmögliches aus und ist daher so spannend. die fantasien sind nicht einschätzbar. jede/r hat andere zur verfügung – oder auch nicht. letzteres ist ein fiasko. die angst vor dem uneinschätzbaren kann sie verleugnen oder gar töten, die fantasien. fantasielose menschen sind nicht zum aushalten. sie schauen auf dich herab, weil sie dich nicht verstehen, du uneinschätzbar für sie bist mit deinen fantasien. und trotzallem übst du einen gewissen reiz auf sie aus. es ist unverständlich, dass sie immer wieder versuchen, dir nahe zu kommen. sie versuchen, in deinen fantasien zu lesen wie in einem krimi und stellen fest, dass sie dich, weil jede deiner fantasien spannender ist als jeglicher krimi, nicht einfach beiseite legen können wie ein buch.
fantasien entziehen sich allem wirklichem zugriff. ihre freiheit ist das fantastische an ihnen. sie sind weder orts noch zeitgebunden. sie müssen weder imponieren noch erniedrigen. sie schmeicheln gern, doch ohne jegliche absicht. das würde sie binden durch auftretende gefühlsduselei. weiter wollen sie, immer weiter, bis sie ermüden und sich selbst reduzieren auf ein nichts, aus dem sie gekommen sind. sie haben keine grundlage, aus der du etwas ableiten oder erwarten könntest. sie sind so, wie sie sind, und oft auch ganz anders.
sie sind erleichterinnen deines lebens. du möchtest sie nicht missen und hängst an ihnen, obwohl sie keine fassbare substanz anbieten. wie wir uns an erinnerungen klammern können, so auch an fantasien. erinnerungen sind vergangen, fantasien könnten wirklichkeit werden, wenn ich ihnen gut zurede, wenn ich mut habe, etwas zu verändern. die veränderung enthält den moment des fantastischen, überrascht und treibt leben nach vorne an, begeistert mich immer wieder aufs neue. erinnerung hängt bleischwer an mir und ich kann sie nicht loswerden, auch die scheinbar guten nicht.
meine grösste fantasie – die erinnerung in einen see werfen und abwarten, ob sich an der oberfläche schöne seerosen festmachen oder sie von entengrütze überzogen wird. ich muss zugeben, dass beides seinen reiz hat. entengrütze ist wunderbar grün, wie eine frühlingswiese. meine hündin aska ist der täuschung erlegen. sie rannte voller übermut auf die grüne fläche – um darin unterzugehen. der grösste schock in ihrem leben, den sie nicht überwunden hat. nie wieder ging sie in ein gewässer. die erinnerung legt fest. schlecht bleibt schlecht, gut bleibt gut – wo sich doch alles immerzu verändert…
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