L A N G E W E I L E . . .

L Langeweile (veraltet auch zachheit = zähes wesen, zähe art) ist ein gefühl oder eine emotion, die vor allem von lustlosigkeit, mangelndem elan und desinteresse geprägt ist.
s. wikipedia

langeweile – destruktiv beäugt.

langeweile ist kein ‚gefühl’. langeweile ist auch keine ‚emotion’. aus der langeweile. resultieren emotionen. ‚lustlosigkeit’ erzeugt noch keine langeweile und langeweile bedeutet nicht lustlosigkeit, auch nicht ‚mangelnden elan’ oder ‚dessinteresse’. langeweile ist ein zustand, eine tatsache wie ferien.
langeweile – aus positiver sicht – gibt möglichkeiten frei, die ich sonst nicht wahrnehme.
langeweile fordert auf, über dinge nachzudenken, für die ich sonst keine zeit habe.
ich geniesse diese ‚lange – weile’. mache eine meditation daraus. lasse mich angstlos fallen dahin, wohin ich in der hektik des alltags nicht gelange. ich starre löcher in die luft und staune, wie sich eine bewusst erlebte ‚weile’, eine ‚lange’ also, dehnen kann, im gegensatz zu momenten, in denen ich empfinde, dass das leben von jahr zu jahr schneller ‚ver’-geht. an jahreswenden, weihnachten, geburtstagen sind das auch von anderen häufig gemachte feststellungen. ‚schon wieder ein jahr vorbei!’ und auch, dass es mit zunehmendem alter immer schneller herum ist – ein jahr.
dass die langeweile platz macht, häufig anlass ist, zur inneren reflexion des eigenen lebens, gehört oft zum unbequemeren teil, insbesondere dann, wenn man zu der erkenntnis kommt, dass es keinen sinn im leben gibt, sondern eigene auslegung ist. die eigene person dem grossen ganzen gegenübergestellt, fällt klein, ja (fast) unbedeutend aus. das kann schocken und den wunsch hervorrufen, sich wieder ins getümmel zu werfen, um die erkenntnis nicht zu plastisch werden zu lassen.
in der hektik wünschen wir uns manchmal mehr langeweile und in der langeweile sehnen wir uns nach der gewohnten hektik.

langeweile
was ist das

du siehst
menschen
bäume himmel
hörst worte lieder
du bewunderst
ein bild ein gedicht
erkennst
dass alles sich bewegt
und du bewegt wirst
ein fünkchen leben
aus der lebensflamme

wie
kann es
langweilig sein

rose ausländer

die schlussfolgerung, dass ich keine langeweile haben kann, weil da menschen sind, bäume und himmel, ich worte und lieder, bilder und gedichte gibt, die ich bewundere, und weil sich alles bewegt und ich mit ihm, ist trügerisch, um nicht zu sagen banal.
es gibt momente, in denen das so ist, wo ich sehe und bewundere und angerührt bin von alledem. aber es gibt auch diese auszeit, in der ich nichts sehe, höre, bewundere, mich nicht bewegen lasse, obwohl all das um mich herum ist. in dieser zeit blende ich die gegenwart aus. diese ‚lange weile’ will ich bewusst für mich haben, mit mir ganz allein sein und nur mit mir. es ist wie atemholen, wie ausruhen von der welt. wie pausieren im denken, um anschliessend alles neu erleben zu können.

emile michel ciorans beschreibung, wie er diese ‚langeweile’ erlebte:
es war gegen drei uhr nachmittags, als mich so ein gefühl des nichts, der substanzlosigkeit beschlich. es war, als wenn alles plötzlich irgendwie verschwunden sei, das vorbild von all diesen anfällen der langeweile, der einstieg in die nichtigkeit und der anfang meiner philosophischen reflexion. dieser intensive zustand des alleinseins machte mich so betroffen, dass ich mich frage, was er zu bedeuten habe. sich nicht dagegen wehren und sich nicht davon durch reflexion befreien zu können, und die ahnung, dass es wiederkehrt, wenn man es einmal erlebt hat, das verunsicherte mich so sehr, dass ich es als orientierungspunkt akzeptierte. auf dem gipfel der langeweile erfährt man den sinn des nichts, insofern ist dieses auch kein deprimierender zustand, da es für einen nicht-gläubigen die möglichkeit darstellt, das absolute zu erfahren, so etwa wie den letzten augenblick.“

ich kenne e. m. cioran nicht, aber die gedanken und wahrnehmungen kommen meinen sehr nahe. dass es der ‚anfang’ zu seiner ‚philosophischen reflexion’ war, sagt mir, dass ich mit dem, was ich akzeptiere, besser umgehen kann, es verwandeln kann in einen kreativen akt.
die ‚langeweile’ mit mir ist ‚langweilig’ in einklang bringen zu wollen, kann nicht gelingen. alles kann mir langweilig sein und das trifft eher die bei wikipedia gemachte deutung zu ‚langeweile’.

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