ICH SCHLAFE – MEINE SEELE WACHT… II

jüd. friedhof göttingen

jud-friedhof_gottingen_120908-201_400pix.jpg

ich dachte, es würde sein wie ‚nachhausekommen’. aber es ist, wie wenn man in eine familie nach längerer abwesenheit heim kommt – alles ist fremd. ersteinmal.
dann sehe ich die veränderungen, finde in den veränderungen neue bilder. auch hier dem anfang eines endes zu – oder dem ende eines anfangs…
die zeichen sind gesetzt – sie gehen in richtung ewigkeit – ewigkeit, die jetzt beginnt, oder nie. manchmal weiss ich das wort ewigkeit nicht zu füllen. die ewigkeit liegt in diesem moment.
momente der ewigkeit auf einem fried-hof, augenblicke des friedens – meines inneren friedens. die bilder bewahren und den frieden auch – so gut es geht.

jud-friedhof_gottingen_120908-097_400pix.jpg

jud-friedhof_gottingen_120908-019_400pix.jpg

die bilder sind mal wieder nicht leicht zu finden. wie in einem grossen puzzle sind sie versteckt in einem grossen ganzen. ich konzentriere mich, gebe der langsamkeit eine chance und damit mir, die bilder zu finden.
erst will ich wiederfinden, die bilder von der ausstellung ‚ich schlafe – meine seele wacht’ im göttinger stadtmuseum. aber sie wollen neu gefunden werden, die bilder. und dann öffnet sich der blick, findet und findet, ist angerührt und überrascht. begeisterung mischt sich ein. bilder, die ins leben weisen, bilder die vom tod sprechen.

jud-friedhof_gottingen_120908-013_400pix.jpg

diese kleine ansammlung von kindergräbern ist mir bisher noch nie sooo aufgefallen. kleine kinder, kleinstkinder, noch kaum 2 monate alt und nur wenige viel älter. wie in einem kindergarten sind sie beisammen, scheinen sie einen raum gefunden zu haben, in dem sie spielen können. Wie ich ihnen das wünsche.

jud-friedhof_gottingen_120908-137_400pix.jpg

mit zunehmendem alter rühren mich die dinge mehr und mehr, besonders der tod von kleinen kindern und tieren. sie haben so viel gemeinsames, das vertrauen ins leben, die unverzagtheit, die unverfälschtheit.

jud-friedhof_gottingen_120908-033_400pix.jpg

jud-friedhof_gottingen_120908-076_300pix.jpg

die musik fehlt nicht auf dem friedhof. diese stelen sehen von der seite aus wie notenschlüssel und entlocken mir eine melodie, die leise in mir schwingt und mich durch die umgrünten stelen begleitet. so heiter falle ich auch – mal wieder – zwischen die büsche und höre mich zurechtgewiesen, die sache gemächlicher anzugehen, ruft es mir ruhe, ruhe zu.

jud-friedhof_gottingen_120908-078_400pix.jpg

jud-friedhof_gottingen_120908-095_400pix.jpg

die grosse kugel im totenhaus hausmann ist symbol für das ganze – umfasst leben und tod und unterscheidet nicht. das runde spricht die sinne an, zieht mich zu sich hin, verspricht geborgenseinkönnen. ich falle wie in trance. spinnweben gegen die sonne geben dem bild eine morbide, aber auch beschwingte note.
die urne macht den anteil des todes bewusst, lässt den blick ins entfernte ahnen. das rotbraune dach im hintergrund, wie zum trost, so etwas wie irdisches verhaftetsein.

jud-friedhof_gottingen_120908-093_400pix.jpg

jud-friedhof_gottingen_120908-103_400pix.jpg

jud-friedhof_gottingen_120908-120_400pix.jpg

mir fällt auf, wieviel mehr mühe man sich einmal gemacht hat mit dem tod, mit dem sterben. ich schliesse es aus den so künstlerisch gestalteten grabsteinen, die es heute so nicht mehr gibt. vielleicht stimmt das so nicht, oder nicht ganz. sie stammen aus der zeit der assimilation. in der jüdischen tradition sind die grabstelen schlicht und ohne verzierungen. mir gefallen sie deshalb nicht weniger.

jud-friedhof_gottingen_120908-146_400pix.jpg

jud-friedhof_gottingen_120908-164_400pix.jpg

kultur ist nicht zuletzt abzulesen an der gestaltung der grabstelen

jud-friedhof_gottingen_120908-173_400pix.jpg

die namen verraten viel. aber ‚röschen’ sah ich nur hier.

jud-friedhof_gottingen_120908-046_400pix.jpg

ich war nicht das letzte mal hier. die morbiden bilder finden in jeder jahreszeit einen anderen klang. grund genug, bald wieder reinzuschaun…

jud-friedhof_gottingen_120908-234_400pix.jpg

One thought on “ICH SCHLAFE – MEINE SEELE WACHT… II

  1. Liebe Rosadora,

    auf der Suche nach Bildern jüdischer Friedhöfe
    bin ich ganz zufällig auf Ihrer Seite „gelandet“…
    u. bin fasziniert von Ihren Fotos u. Texten.
    Ganz herzlichen Dank dafür !

    Ich vermute, dass Sie in Kassel oder Umgebung leben (???)…
    sende deshalb liebe Grüße in meine ehemalige Lieblingsstadt (ca. 1960-1980),
    die ich in diesen Jahren sehr oft besucht habe,
    als ich noch in meiner nordhessischen Heimatstadt Frankenberg lebte.

    Herzliche Grüße aus dem Schwarzwald
    Ursula Fingerhut

Schreibe einen Kommentar

Deine E-Mail-Adresse wird nicht veröffentlicht. Erforderliche Felder sind mit * markiert.