POETRY SLAM…

immer mal wieder verfolge ich die sendung
POETRY SLAM
im fernsehen
hin und wieder gefällt mir ein beitrag so gut
dass ich mich heute zu einem selbstversuch entschloss
den ich MORITZ NEUMEIER aus hamburg widme

es ist eine sendung
wo rednerinnen und redner eine begrenzte zeit zur vefügung haben um ihren beitrag im wettstreit vorzutragen
ganz wie es die alten griechen taten
ohne schnickschnack ohne verschönerungsversuche durch musikalisches beiwerk
eben einfach nur so
und mit pravour vorgetragen
eine jury aus dem publikum entscheidet wer gewinnt
die junge generation schaut speziell genau ist kritisch und hat viel zu sagen
denke ich…
——

versuch eines poetry slams
rosadora

——

also
das gibt es auch noch

die sind gewissenhaft so scheint mir – die jungen
und was werden für üble reden geschwungen
die jugend von heute tauge nichts mehr
denen fehle an nichts und das von jeher
alles könnten sie machen auch eine ausbildung nach der andern
und das passe ihnen nicht mal und dann wollen sie auswandern
und wüssten so überhaupt nicht wohin
denn wohin sie gehn es ist nicht das drin
was sie sich erhoffen geld und erfolg vor allem und auch
dann sind sie fast weg und stehen wieder auf dem schlauch
des nichtwissens woher und wohin mit sich
und so allmählich frage ich mich und auch dich
ist das denn tatsächlich so und so
oder ist das nur der besagte floh
der festsitzt in den köpfen der alten
die fantasielos schalten und walten
den jungen den weg versperren
an ihnen herumnurzerren
sie schaun nicht über den suppenrand

wo ich jetzt diesen poetry slam fand
sah dass diese jungen in ordnung sind und sehr helle
wie nie eine generation vor ihnen und ganz schnelle
beschloss ich alte meinen stil zu verändern
mein dichten und denken mit ganz anderen rändern
zu versehen also mich selbst wach küssend
so gar nicht mehr tun was ich würde tun müssen(d)
mein werk vollbringen – was heisst schon werk
in meinem metier ein ganz kleiner zwerg
wo ich mich manchmal fühle – ganz gross
aber das ist bloss der üble kloss
der mir sitzt im hals wenn nichts will gelingen
damit ich nicht beginne mich selbst zu verschlingen
bis das ding im hals und im herz sich löst
und mir herabfällt und ich ganz entblöst
dasitze im raum oder auch stehe
den ganzen schlamassel von vorne nun sehe
es ist das leben das ganze das mich peinigt
und ganz alleine oder auch vereinigt
müsst ihr da durch ihr zwei dollen ollen
müsst euch durchs leben trollend rollen
mal in diese mal in jene ecke
und dann bist de wegggge

AUSWEG…

viele wege kreuzen sich in mir
und ich gehe immer
mehrere strassen zugleich
ich bin arm
aber es kommt mir vor
dann wäre ich reich
wenn unter diesen wegen einer
ein ausweg wäre

viele wege kreuzen sich in mir
und ich gehe immer
mehrere strassen zugleich
ich bin arm
aber es kommt mir vor
dann wäre ich ärmer
wenn unter diesen wegen einer
ein ausweg wäre

ernst jandl

DIE WEISEN…

DIE WEISEN AUS DEM MORGENLAND…
(magier, auch sterndeuter)


willy kaufmann 1969

wir sind das sehen
das erheben
das erkennen
das glauben
das hoffen
das lieben

wir sind das staunen
das strahlen
das gehen
das stehen
das verstehen

wir sind das suchen
das verlieren
das fragen
das finden

wir sind

das sein im sein

richard thalmann

NEUES JAHR…

NEUES JAHR
das erwartete kam ohne zögern

gestern und morgen

verleihen den gleichen

schalen geschmack im munde

wie im letzten jahr

der nebel

jagt die sonne hinter den berg

und macht sich im tal breit

bis er am morgen

wieder von dannen zieht

fast habe ich mich

an die monotonen geräusche

meines mac gewöhnt

vielleicht verzeihe ich ihm

weil er mir meine gedichte ausspuckt

fein säuberlich gedruckt

und von bestechender

formschöne

den inhalt kann er nicht überprüfen

noch nicht

die briefträgerin

hat ihr jahresbelohnung bekommen

nun verzögert sich die briefzustellung

die falschen hoffnungen

ins neue jahr verschoben

sie werden sich

auch diesmal nicht erfüllen


der museale liebesakt

wird schwächer

von jahr zu jahr


der grünfink ist zutraulicher geworden

er holt sich sein futter

nun, da der schnee wegschmilzt

kein friedensangebot zum neuen jahr

alle setzen auf sieg

wann werden sie wirklich so stark

dass sie keine kriege mehr brauchen

morgen ziehe ich die neue bluse an

und dann gehen wir spazieren

sagte meine grossmutter

und verstarb

der verstand glaubt nur das

was er sieht

aber er sieht nur sehr beschränkt

daher versetzt der glaube

keine berge


wenn ich die grenze überschreite

komme ich

von einem umgrenzten raum

in einen anderen

die menschen brauchen grenzen

weil sie angst haben
vor sich selbst

die geringfügigkeit des denkens

nur von wenigen in anspruch genommen

kann gegen die verfestigung der gedanken

nichts ausrichten


sie haben verlernt

mit dem herzen zu denken

stattdessen versuchen sie

mit dem knie zu atmen

das gelingen ist weniger nachprüfbar

einen weg im nebel gesucht

verhangen die tragfähigkeiten des tages

im dunkeln getappt

am helllichten tag

die ausweglosigkeit des wartens erkannt

und weiter gewartet

in der lotterie gespielt

der gewinn blieb aus

bisher

aber er wird kommen

das ist sicherer

als auf den frieden

der menschheit
zu warten

der zeit gehorchend

so sagt man doch

und nicht herausgehört

was sie von mir will

die vorhandenen mittel strecken

und was tun

wenn keine vorhanden sind

bei virginia woolf eingeladen

ihr platz gemacht für ihre ideen

uns inspirieren lassen

auch das lachen kam nicht zu kurz

ihr tintenfass abgelöst durch den pc

das nachtdunkle

überwältigt die taghelle

unvorstellbar manchmal

dass sich daran etwas ändert

pflastern den weg mit worten

und ihn begehen

damit es der eigene wird

ein lächeln herschenken

in die dunkelheit des tages

damit er zu leuchten beginnt

ich denke afrika

ich denke indien

ich denke hungersnot

und nicht urlaub

die katze läuft durch meinen mac

der hund läuft ihr hinterher

dass der abend kommt ist gewiss

und dennoch überrascht er mich

an jedem tag

wachhalten den verstand

oder wenigstens das

was wir dafür halten

in der wortwanne baden

mich umspülen lassen
mich überspülen lassen

von den schwimmendflexiblen
wortgebilden

mich wenden

mich umwenden und schauen

ob der tag etwas neues gebracht hat

meine füsse unter mich stellen

damit sie mich durch die zeit tragen

die hände strecken

sie ausstrecken

nach den schönsten wortschöpfungen

sie so biegen

dass sie einen klang

einen sinn ergeben

angewärmte luft

zur verfügung stellen

damit der spruchteig

sein volumen entfalten kann

die bedeutung heraushören

aus den reden der politiker
auch wenn es keine gibt

wasser schöpfen

aus den quellen der weisheit

und ergiessen

über weite teile der menschheit

das fallen und aufstehen üben

und nicht müde werden

einer pause platz einräumen

damit das gesagte sich setzen kann

mein begehren zulassen

es stark und laut werden lassen

mein begehren

nach frieden und freiheit

das licht wollen

damit es seine schatten wirft

und ich in ihm stehen kann

im tal den schutz der berge suchen

auf den bergen

die freiheit der gedanken

stehen

aufrecht stehen bleiben

und mich nicht setzen auf jeden stuhl

schon gar nicht

zwischen die stühle

sagen was ich denke

anstösse geben

denkanstösse

und keine angst haben

anzustossen


ich schlürfe meinen kakao

und nun

liegt er mir schwer im magen

schmutzige wäsche waschen

die eigene

und nur die eigene

im keller den wein gesucht

und ihn im kühlschrank gefunden

der vielschichtigkeit des lebens geglaubt

und mich dennoch

für nichts entscheiden können

meinem mac eine seele gegeben

nun schreibt er für mich

die schönsten gedichte

tiefe gedanken niedergeschrieben

als ich sie aussprechen wollte

fanden sie den weg nicht zu dir

auf den kalten worten ausgerutscht

wie auf der eisbahn vor der tür

herabgeschwungen auf flügelworten

und die landung verpasst

mein wortzimmer betreten

und stein um stein nach sinn gesucht

sie stapelten sich vor mir

zu einer undurchdringliche wortwand

auch zimmer wollen zu ihrer zeit

betreten werden

was dir zufliegt

fliegt dir auch wieder davon

nur was du selbst geformt hast

kannst du dein eigen nennen

für kurze zeit

klang der sich erhebt

verleiht mir flügel

mit ihm fliege ich hoch und höher

es wird so wenig gesungen

die tür fällt ins schloss

ich erwarte dein kommen
es nur die nachbarin

viele vögel sind in den süden geflogen

aber ich erfreue mich an denen

die hier geblieben sind

meine finger suchen

nach worten auf den tasten

aber sie halten sich

andernorts versteckt

autobahn

unerbittlich fordert der nebel seine opfer

die schienenstränge

bieten auch nicht mehr sicherheit
in diesen tagen

die kasseler musiktage

haben ausgeklungen

ob sie in hamburg oder münchen

besser klingen

egli ist eine fischart im bodensee

ich denke wenn ich sie esse an eklig

es ist eklig

tiere zu essen

beherrschen den freien fall

auf allen vieren ankommen

und neu ansetzen

den sprung über das entsetzen

immer wieder neu üben

neben mir stehen

und mir zuschauen

manchmal erkenne ich mich sogar

spiegel sind unzuverlässig

manchmal zeigen sie mich dick mal dünn

nie zeigen sie

was ich sehen möchte

mit den fischen

auf dem grund gehen

hinabtauchen

einen schimmer bekommen

von dem nicht sichtbaren

durch die welle hindurchtauchen

als seist du ein teil von ihr

zum meer werden

der sonne danken

für jeden neuen tag

und dass sie sich

nicht immer zeigt

nicht auf das kommende warten

es verhindert das jetzt

es einfach kommen lassen

die bäume

sie winken mir zu

meine treuen begleiter

selbst tief eingeschneit

verlieren sie das hoffen nicht

meine erfahrungen teilen mit der zeit

und sie hinschenken

zu zeiterfahrungen werden lassen

durch die zeit erfahren

eine verbindung herstellen

zwischen mir und mir

von der die ich einmal war

zu der die ich sein werde

dazwischen die
die ich bin

die hände pressen

die hände fest zusammenpressen

als könnte ich ihnen

eine wortentscheidung abringen

dem abend entgegenschauen

in seine dunkelheit fallen

und mich fallen lassen

aus dem tag in die nacht

jetzt lesen

lesen

dass die welt nicht mehr ist

was sie einmal war

so sehr
haben wir uns verändert

je härter der winter

desto grösser die frucht

sagt karlwilhelm

und nun taut es schon wieder

angst haben

dass sich die worte einmal erschöpfen

obwohl sie zahllos zur verfügung stehen

finden ist das problem

unter meinem hut mein haar

unter meinem haar mein kopf

unter meinem kopf

wenn ich das wüsste…

rosadora

GESCHLOSSENE FARNDECKE…

sehr eindrücklich ist mir diese geschlossene farndecke
dieses bild fehlt mir noch bei meinen farnbeobachtungen
wie ein lebendiges leichentuch überdeckt es die erde für kurze zeit ehe es selbst zur erde wird

nachschauen will ich in meinem urwald wie es denn so geht
und was sich verändert hat
die jahreszeitlichen veränderungen gehen schnell müssen schnell gehen weil sich ja schon neues vorbereitet
aber auch die veränderungen des lebens der bäume zeigt sich rasant und oft ruckartig
meine fotos aus den vergangenen jahren lassen es vergleichend deutlich werden


diesen baum der nun nicht mehr so zu nennen ist
besuche ich oft
vor vier jahren stand er noch aufrecht
und kein wink dass es bald nicht mehr so sein würde
an seiner augenblicklichen lage gefällt mir
dass er mir so deutlich zeigt wie leben in sterben gleitet
wie jede phase seine bedeutung hat und ich darin lesen kann
manchmal möchte ich hinein kriechen in den offenen stamm
als mein grab wäre es eine wunderbare vorstellung
so ein ästhetisches vergehen und ein wunderbarer duft
entsteigt dem zerfall und dem wechsel in erde
der geruch oder gar duft ist das was sich mitverwandelt
wie lange diese rindenhülle sich noch so hält werde ich mitverfolgen
noch kann ich hindurchsehen
dieser durchgang sagt mir dass es weitergeht – danach

auch das sehr grüne moos im überschwang lässt hoffen
grün – die farbe der hoffnung und des lebens

merkwürdig undruhig ist es heute im unterholz
oder bin ich es die unruhig ist nach so langer besuchspause
ungewöhnlich das plätschernde wasser

auffallend die grossen kuhlen welche die wildschweine gegraben haben
seltsam das knacken im gehölz und ich horche auf
ein rabenvogel verkündet meine anwesenheit

alles im wald hat sich verändert und zeigt sich mir ganz neu
wieder einmal
wieder einmal alles ganz neu
und ich muss neu gucken
immer neu gucken

das leben – immer neu

21.12.12 – 12 uhr 12 JETZT…

jetzt…

WELTUNTERGANG…
der weltuntergang scheint ein interessanteres thema zu sein als die wintersonnenwende
dabei könnte „diese wende“ ja im alten mayakalender gemeint sein

die konzentration bemühen
sich umschauen und die wertescala kippen
sonst gehts nicht
sonst passiert das schlimmste
aber ein einfacher weltuntergang wirds nicht werden
langsam und doch viel zu schnell werden wir uns selbst abmurksen
würde es im kinderjargon benannt
und die kinder sollten wir befragen sie mit einbeziehen
sie haben noch den grösseren abstand zu den geschehnissen
und sehen sie unmittelbarer und klarer
alles nur machen wie bisher geht nicht
damit verrutschen wir nur das datum zum weltuntergang

meine idee
alles mal infrage stellen
mal neu denken – bedenken
alles mal anders machen
nicht festhalten an dem was wir sind
an dem was wir haben
an alten klischeeees

öfters mal den kopf heben und schauen
die augen öffnen den anderen anschauen
und wahrnehmen
die stöpsel aus den ohren und mal hören
zuhören
und denken
ganz selbständig denken ohne vorsage
und die alten knacker sollen zurücktreten
sie wiederholen sich nur

heute ist heute
und es ist wie es ist
aber
es könnte auch ganz anders sein

weniger hektisch
niemand hat mehr zeit
alle nehmen nur sich selbst wichtig
den anderen gilt es zu übertrumpfen
schöner besser grösser
das zieht nicht mehr
das stimmt nicht
alles muss ganz anders gehn

halleluja
rosadora

WINTERSONNENWENDE…

ÜBER DIE SCHWELLE DER DUNKELHEIT GEHEN – INS LICHT…

heute ist ein besonderer tag. ohne es im bewusstsein zu haben, so früh am morgen, treibt es mich aus dem bett. erst als ich wach und wacher werde, erinnere ich das datum – 21. dezember – wintersonnenwende.
bis zum 24. dezember, in der nacht, ins der das licht aus der tiefe geboren wird, ist eine grosse stille. nichts regt sich, nichts bewegt sich, nur die natur bereitet sich vor, in der tiefe geschieht die verwandlung. das lebensrad dreht sich, das rad, das niemals stillesteht. wenn auch das symbol des runden in unserem kleinen hirn den anschein gibt, als würden wir uns im kreise drehn, ist dieser lebenskreis doch so gross, dass selbst die grösste von uns zurückgelegte strecke als gerade erscheint. unendlich gross und uns unvorstellbar ist dieses grosse runde, und auch nicht zu erfassen das kleinste runde, das viel kleiner noch ist als ein atom und aus dem alle dinge bestehen. ein lebendiger organismus und voller energie, von der wir leben, in der wir sind.
geschafft! diesen zeitenberg zu erklimmen kommt einem wirklichen bergaufstieg sehr nahe.
an dieser schwelle vom dunkel ins licht geben wir alles ab, geben es zurück in den weltenkessel, geben es hin zu der ‚alten der zeit’, die auch ‚die funkelnde’ genannte wird, die es neu mischt.
in dem moment, am 24. dezember, wo sich das licht zeigt, wo die dunkelheit es neu gebiert, dürfen wir der weisen alten beim rühren helfen und ihren tanz tanzen und ein bisschen erfahren von ihrem geheimnis, das sie nie ganz preis gibt. wir bedienen uns der bilder der mythen, weil das ganze so unvorstellbar für uns ist.
die angesagte ruhe ist auch verdiente ruhe – und dass wir sie einhielten.
in den kommenden tagen der rauhnächte nehmen wir den ‚tanz des lebens’ langsam, ganz langsam wieder auf.
vor dem tanz die ruhe.

dies ist nicht blüte

nicht frucht

dies ist nicht frühling

nicht sommer

nicht herbst

dies ist nur der winter

mit seiner innigsten

grössten wärme

der hoffnung

rosadora

DIE JAHRESSPIRALE AN IHREM TIEFSTEN PUNKT…

die spirale des jahres erfährt ihre engste enge, ihre tiefste tiefe und verdichtet in den nächsten 12 nächten, den rauhnächten, ihre verwandlung in den gegenschwung in ein neues, ein weiteres jahr. in der dunkelheit dieser besonderen zeit bereitet sich das licht vor. nie waren die ängste der menschen ausgeprägter, die hoffnung, dass eine wendung erfolge, grösser, als in den tagen der wintersonnenwende.
in der heutigen zeit versuchen wir, die dunkelheit zu überlisten mit lichterketten, geglitzer und geklimmer, das von aussen kommt. die tiefe in der dunkelheit, in der neues sich vorbereitet, wird nicht mehr wahrgenommen. der jahreszeitenrhythmus, an dem wir uns für unsere inneren regungen orientieren könnten, wird ignoriert. das kaufangebot kennt schon lange keine jahreszeiten mehr. wir können erdbeeren im winter kaufen und wintergemüse im sommer. aus allen erdteilen der welt können wir beziehen, was und wann immer wir wollen.
rituale, die diese übergänge einst begleiteten, sind weitgehend vergessen. die irritation durch das dauernde habenkönnen und doch nicht wirklich wesentliches zu bekommen, schafft eine grosse orientierungslosigkeit. rituale wieder aufleben zu lassen hiesse, sie neu zu kreieren, mit neuen inhalten sich an dem immerwährenden wieder anzuschliessen.
in den rauhnächten, in denen die natur den atem anzuhalten scheint, geschieht in der tiefe die verwandlung, das wenden zum neuen hin. wir haben daraus die närrische zeit entwickelt, wo wir mit lärm und gelächter das alte jahr vertreiben, das unterste nach oben drehen können und dürfen – alles ist jetzt erlaubt, als wären es die letzten tage, nicht nur im jahr , sondern die uns noch verbleibenden.
mit der stille still zu sein, fällt uns schwer, auf das neue zu warten, noch schwerer. es deutet sich ja auch nur zaghaft an. aber in winzigen ansätzen bereitet es sich schon vor. wir müssen nur leise und bereit sein, uns überraschen zu lassen. dass aus einem kleinen samenkorn ein ganzer baum erwachsen kann – das müssen wir uns nur einmal vergegenwärtigen – wäre genug grund zu staunen und zu hoffen.

rosadora

MALWIDA VON MEYSENBUG…

MALWIDA VON MEYSENBURG
lesung im künstlercafè im bahnhof calden-fürstenwald
mit dr. marlis wilde-stockmeyer

„Es würde schwer sein, inmitten einer größeren Stadt ein besser gelegenes Haus zu finden, als das war, in welchem ich geboren wurde und die ersten Tage der Kindheit verlebte. Das Haus lag in der Stadt Cassel und gehörte zu einer Reihe von Häusern, die eine Strasse begrenzten, der man mit Recht den Namen Bellevue gegeben hatte, denn…“
so beginnen Malwida von Meysenbugs „Memoiren einer Idealistin“.

als erste vorsitzende der MALWIDA VON MEYSENBUG-GESELLSCHAFT e. V.
hatte dr. marlis wilde-stockmeyer zu einer kleinen adventsfeier mit lesung in das künstler/innencafé im bahnhof calden-fürstenwald eingeladen.
sie bemüht sich seit jahren, diese vorkämpferin der frauenbewegung ins gedächtnis der menschen in kassel zu rufen und ihr geistiges erbe lebendig zu halten.
malwida war eine bewunderswert intelligente frau, deren ansichten heute noch gültigkeit haben, besonders was die geistige erziehung angeht.

„ In unserem Familienleben waren die Kinder nicht so von dem Leben der Erwachsenen ausgeschlossen, wie dies z.B. in England der Fall ist. Meine Mutter war der Ansicht, daß die Berührung mit ausgezeichneten Menschen nur einen guten Einfluß auf die geistige Entwicklung der Kinder haben könne und allmählich ihr Urteil und ihren Geschmack entwickeln müsse. Ich glaube, daß sie ganz recht hatte und daß diese Bemühungen, so weit sie möglich sind, eins der wichtigsten Elemente der Erziehung sein müßten. Die Griechen wußten es wohl, und die Lyzeen, wo ihre Philosophen und Weisen sich mit den Kindern unterhielten, trugen wahrscheinlich nicht wenig dazu bei…“

Heide Soltau:
„Malwida von Meysenbug, 28. oktober 1816 in kassel – 26. april 1903 in rom, war eine geistreiche, vielseitig begabte, charismatische Frau. Eine überzeugte Demokratin und Befürworterin der 1848er Revolution, Vorkämpferin der Frauenbewegung und Freundin berühmter Männer. Sie arbeitete als Journalistin, Übersetzerin und Erzieherin und feierte Erfolge als Schriftstellerin. Viele Künstler und Intellektuelle suchten ihre Nähe, darunter der russische Anarchist Alexander Herzen, Richard Wagner, Friedrich Nietzsche und Romain Rolland.
Geboren als zweitjüngstes Kind eines Hofbeamten in Kassel, verliebte sie sich als junge Frau in den Theologen und Schriftsteller Theodor Althaus. Das prägte sie politisch. Nach dem Scheitern der Revolution emigrierte sie nach London. Dort schlug sie sich als Hauslehrerin durch und fand ihre Erfüllung als Ersatzmutter für die Töchter Alexander Herzens.
Malwida von Meysenbug lebte später in Rom, wo sie bis zuletzt umworben und verehrt von ihren Freunden 1903 starb.“

seit 1984 gibt es die MALWIDA VON MEYSENBUG-GESELLSCHAFT in kassel
Sie pflegt das Andenken an Malwida von Meysenbug und hat sich die Aufgabe gestellt, die Erforschung ihres Lebens und Wirkens zu fördern und anzuregen. Zu diesem Zwecke initiiert sie Vorträge, Ausstellungen und Publikationen (Jahrbücher). Sie verfügt über eine Bibliothek, die kontinuierlich erweitert wird. Im Sinne dieser wichtigen Europäerin pflegt die Gesellschaft wissenschaftliche und persönliche Kontakte zu interessierten Personen im In- und Ausland (Frankreich, Italien, England, USA).