E L K E E R B – immerhin…

immerhin
fast derselbe jahrgang und auch wassermann – wasserfrau
nicht ich bin es, sondern der text ist es, der etwas will. der unterschied: ich WILL meine texte nicht altersdichtung heißen.
klar schiff machen.
im alter steckt sie wie ich – wir beide noch immer dieser wahnsinns-haarschnitt verdeckte stirn, wo sie doch immer stirn zeigt
….. ich zeige meine stirn – sie zeigt ihre stirn, keine altersmilde – sagt sie…

17./18.09.1999 frauenfelder lyriktage

ich kaufe ein buch bei ihr MENSCHS SEIN, NICHT… beim signieren fragt sie „für wen denn“ ich antworte „für DUSCHENKA“. einen moment des nachdenkens und dann: sie lacht und sagt, dann müßte ich ja ELKCHEN SAGEN. sie ist des russischen mächtig. dusché ist seele – duschenka – kosewort.

nachja, nachdenken ist ihres – nachdenken auch meines. bis zu dem zeitpunkt war ich tanzfrau und schlank, da passte das wort irgendwie. aber nun, da ich nicht mehr tanze, und vor allem nicht mehr zart wie eine elfe, muß etwas anderes her. ich verkürze – der mädchenname meiner großmutter ist rosalie – daher ROSA – der name einer großtante DORA – also zusammengenommen ROSADORA. nachgedacht vieles mehr…  elke erb bracht mir dies in meine denkräume ein. dafür bin ich ihr noch heute dankbar.

für ihr werk sind andere zuständig. ich kenne mich gut, aber nicht sehr gut genug aus, um hier eine gültige aussage machen zu können. ich denke an sie in diesen tagen und irgendwie wird sie mir auch fehlen beim gültigen nachdenken, damit das bild sich rundet…

rosadora

MUTTER – TOCHTER-TALENTE…

kürzlich sagte meine freundin brigitte – ich kenne niemanden, der mit so vielen talenten gesegnet ist wie du – wir kennen uns seit 60 jahren…

dieses geschick und meine talente habe ich einzig meiner mutter ANNA ELISABETH zu verdanken. noch mit 90 wollte sie mir beim wändestreichen helfen. ICH KANN DAS war ein gängiges wort von ihr – und irgendwie habe ich es auch von ihr übernommen.

im krieg, als wir evakuiert waren in einem kleinsten kuhdorf, hat sie trotzalledem versucht, uns das leben mit den ihr zur verfügung stehenden talenten vorstellig und lebenswert werden zu lassen.

das ICH KANN DAS hat sie da wohl auch erst für sich entdeckt – entdecken müssen. und alles, das ist nicht übertrieben – es war noch viel viel mehr – sie hat genäht gehäkelt schuhe erstellt aus autoreifen und ähnlichem und vieles mehr – einfach alles konnte sie. das hinterläßt eindrücke und spuren.  zwei gärten hatten wir mindestens immer gleichzeitig. anna elisabeth half den bauern bei der feldarbeit, wo ich mich ebenfalls einklinkte.

es ergäbe mindestens ein ganzes buch, würde ich über die kriegsjahre berichten. aber – und das prägt mein leben heute noch – ES WAREN DIE SCHÖNSTEN JAHRE MEINES LEBENS – wenn ich davon erzähle, gerade ich in begeisterung – leuchten meine augen. und ……..was meine KUNST beflügelt hat und das, was ich heute lebe (und erlebe) ist das aufscheinen meiner kindheitserlebnisse und -erfahrungen – das leben – über 7 jahre hin -in dem kleinen dorf DORLA mit ANNA ELISABETH. DANKE…

rosadora

MARGOT FRIEDLÄNDER …

undefinedm. f. bei einer lesung des Anne Frank tagebuches 12. june 2012  autor

 

am 5. november wurde margot friedländer 102 jahre. seit dem sie MENSCHgeworden ist, (wie sie selbst sagt), berichtet sie aus vergangenen tagen, in denen sie so unmenschliches von den nazis erfahren hat, insbesondere in schulen, damit junge menschen an ihrem schicksal erkennen, dass so etwas nie mehr passieren darf. dass das fast nicht genügt, erfahren wir in jüngster zeit. das muß für sie besonders schwer zu ertragen sein.            101 jahre, das ist mehr als ein ganzes leben. vielleicht geht es darum, verlorene zeit einzuholen. als sie erfuhr, das ihr bruder und ihre mutter von den nazis abgeholt worden sind, übermittelten ihr Nachbarn die nachricht und dass die mutter für sie noch hinterlassen hatte, sie SOLLE VERSUCHEN, IHR LEBEN ZU MACHEN.                        noch heute berichtet sie, dass sie sich ein lebenlang daran gehalten habe.                   viele  jüdische menschen, die den holocaust überstanden haben, erlangen ein hohes alter, so als würde ihnen verlorene zeit geschenkt.

ich bewundere sie sehr und weiß nicht recht, ob ich zu dem hohen alter gratulieren soll – gnade oder fluch. in diesem falle sicher die große chance, aufzuklären, damit gleiches nicht noch einmal passiert.

IDA APPLEBROOG …* 11. November 1929 † 22. Oktober 2023

NUN IST SIE GESTORBEN

die große außergewöhnliche künstlerin IDA APPLEBROOG. am 11. november wäre sie 94 jahre alt geworden. alt, das kann ich sagen. viele künstlerinnen sind erst in ihren späten jahren berühmt geworden. auf der d13 hat sie bleibende eindrücke hinterlassen. sie hat angestoßen, wachgerüttelt. mit YOU ARE THE PATIENT – I AM THE REAL PERSON  und dem kind mit der „schluppe“ auf dem kopf hat sie mich an meine eigene kindheit erinnert und michinnerlich sehr bewegt. sie hat sichtbar gemacht, was andere nicht auszusprechen wagen.

 

 

 

 

 

 

kind mit „schluppe“

zähnefletschend 
eine andere mit vampirzähnen – 
kind im unterhöschen  – 
und
  „pappa wein doch nicht“  
i caressed it
it shit in
es geht um vergewaltigung, 
um machtmissbrauch, 
um falschverstandenes, 
um falsches vertrauen und missbrauchtes. 
dargestellte szenen als „narrationsmodus“.

„die geschichten sind nicht als wahrheiten gedacht…“ 
ida appelbroog überlässt es den betrachterinnen und betrachtern, ob sie für sich eine botschaft erkennen können oder wollen…
 manch eine/r geht, das muss ich mir nicht anschaun, andere sitzen fest, wie an einem puzzle. 
endloser konsum und endlose gewalt machen ida appelbroog zornig. das macht, dass sie malen muss.
eine grossartige künstlerin, eine mutige dazu, die genau hinschaut.

NICHT ZUM LEICHTEN VERZEHR…
IDA APPLEBROOG
tagebucheintrag 1975

alles an die wand gepitscht – die allerintimsten eintragungen aus ihrem tagebuch. 
erstmal bin ich verwirrt, verunsichert, was das ganze soll. 
doch bei genauerem hinsehen tauchen unter diesen dramatischen ereignissen die „stillen momente“ auf. die zusammenhänge sind nicht zu erkennen, obwohl alles zusammenhängt… 
herausgenommene fetzen stellen einen bezug her.
 YUO ARE THE PATIENT – I AM THE REAL PERSON.

rosadora

documenta 13 –  fridericianum

 

 

EINSCHÄTZUNG EINER FREUNDIN…

liebe kunst- und lebenschaffende freundin RosaDora

 
 
da habe ich mich wohl nicht richtig ausgedrückt  /  dass du besonders
jetzt in der ausstellungszeit DIR SELBER AUCH GUT BIST, das wollte 
ich sagen  /  das ist keine eigensucht, im gegenteil  /  deine anwesenheit
mit deiner freien ausstrahlung soll sich immer wieder ereignen.
 
ich durfte dich schon bei andern öffentlichen und zweiertreffen erleben,
wie gut DU ZUGLEICH BEI DIR SELBER SEIN KANNST und das MIT-
SEIN IN ETWAS GRÖSSERES AUSSTRAHLST
 
mit diesem wunsche einen guten START FÜR ALLE  ANWESENDEN,
auch für die abwesenden teilnehmerinnen wie ich im BÜNDNIS DER
FREUDE
 
deine rosmarie

ALTE TÜCHER…

alte tücher…

die schönheit alter tücher liegt in ihrer betrachtung. wir sehen in ihnen die bewegtheit vergangener zeiten. wir verbinden uns mit den darin verborgenen nostalgischen gefühlen. wir lassen uns fallen in unsere gedanken und in das morbide, als könnten wir darin aufgefangen werden. das verblassen färbt unsere zeit und lässt die alte zeit aufleuchten in ihren echten farben. was war und was sein könnte hatte zu jeder zeit einen besonderen reiz – den reiz des unerkannten. geheimnisvoll legt es sich zwischen das damals und jetzt. wir selbst entziehen uns dem augenblick in der gegenwart. wir verfolgen spuren in längst vergangene zeiten und nennen sie den weg zu unseren wurzeln. die vergangenheit nennen wir das woher und die zukunft das wohin, den moment, in dem wir leben, das hier und jetzt. ich benenne es gerne als ‚und ich selber mittendrin’.
in den alten tüchern möchte ich nicht stecken. sie täuschen mich mit ihrer farbigkeit nicht über den ständigen verfall hinweg. durch die schönen stickereien schimmern die blutigen finger, die krummen rücken, entzündeten augen blicken mich an, ganz zu schweigen von niedrigem lohn. frage um frage taucht auf nach der unverstandenen vergangenheit, so sehr ich mich auch bemühe, bekomme ich keine klärenden antworten. der vorgang des spinnens und webens scheint mir ein mühevoller. nichts ist härter auf der haut, als ein aus leinen genähtes tuch.

gedanklich greifen wir gern zu alten tüchern – feste meinungen, an die wir uns lehnen wie an ein gerüst. wie alte tücher sind auch die alten gedanken porös und brüchig. als menschen sind wir in einen fortgang eingebunden.
so rasant er auch zu werden scheint, wir können uns ihm nicht entziehen. wir selbst treiben ihn an, immer schneller, immer spezieller. soweit, bis er uns einmal überholt und wir keine tücher und keine gedanken mehr brauchen – schon gar keine alten.

rosadora
17.03.06

FRAUENTAG 2022…

UND TODESTAG ANNA ELISABETH, MEINE MUTTER…

immer denke ich, dass sie sich diesen tag ausgesucht hat, um zu gehen, hat den grund, dass sie von vielen frauen begleitet nun ihren weg gehen konnte. ich sehe sie eingereiht und somit nicht allein – das beruhigt mich.
im krieg hatte sie soooo viele fähigkeiten entwickelt, vom schuhe machen bis wändestreichen, von denen ich profitiert habe. auch, dass sie etwas nicht könne, fällt mir nicht ein. mit fast 90 noch sagte sie zu mir, als ich mir nicht mehr zutraute meine wände zu streichen, ich helfe dir. nie habe ich sie sagen hören – das kann ich nicht. sie reparierte sogar elektrische steckdosen, wobei sie einmal einen schlag erhielt. aber das hielt sie nicht ab.
bis zu ihrem 90sten lebte sie noch 10 jahre allein in ihrem haus und erledigte alles selbst, deckte den tisch, wenn ich kam, und gab vor, dass es ihr gut gehe. nur ihren ehemann hat sie nicht abschütteln können. wovon, bitte, hätte sie denn dann leben sollen. aber nachdem er starb machte sie es sich noch ein paar jahre schön, ging tanzen und zur gymnastik, kleidete sich jede woche neu ein, denn jetzt hatte sie ja endlich eigenes geld.
dabei war sie vor dem krieg und vor der heirat eine frau, die eine ausbildung gemacht hatte als weissnäherin und sollte sogar das geschäft übernehmen, dieweil die inhaber/in keine eigenen kinder hatte. sie war also spitze, in dem, was sie tat. der krieg machte alles zunichte.
auch ihre mutter, emilie löffelholz, war schon in arbeit – war eigenständige büglerin und machte den fehler, mit 40 einen schneidermeister mit 4 erwachsenen kindern zu heiraten und bekam selbst auch noch zwei kinder. eben meine mutter, anna elisabeth und joseph, den sie bubi nannte, den jüngeren, der mit 19 im krieg fiel, was sie ein lebenlang nicht verkraften konnte.
also vonwegen 1970 durften die frauen erst arbeiten, nur wenn es ihr ehemann erlaubte. das ist verzerrung der geschichte. auch ich habe 1954 eine lehre als kaufmännische angestellte absolviert und nicht den vater fragen müssen. der hatte mir sogar die stelle vermittelt, weil er als kfz.mechaniker ´beziehungen´ hatte zum DAT. zwar haben die frauen derzeit weniger als männer verdient – aber das tun sie ja heute immer noch. sonst müßten die kindergärtnerinnen ja heute nicht streiken für mehr lohn!!!
also, was haben die frauen erreicht? sie werden es nie wirklich erreichen, weil ein großteil, so auch meine 89jährige bekannte, einen mann sucht, die sie ernährt. himmelzwirnund…
schafft den frauentag ab und geht in die offensive, geht und lernt das fraueneinmaleins – voll und ganz. amen.
rosadora