Category Archives: T A G E B U C H
MEDITATION…
MEIN BAUM im urwald
ich schaue mich um
über die linke schulter ein ganzer wald
bäume
die nach sonne sich verzehren
wolken gehen drüberhin
restschnee am boden
dazwischen ich
in meditation
am baustamm hockend
in gleisender sonne
mein baum
erzählt geschichten
immer neue
von altersher
ich lausche immer noch
in meinen baum
bette ich mich
mit ihm schwinde ich
nicht frühling nicht winter
immer nur immer
dem farn
war er nicht kalt genug
der winter
in schlingen verfange ich mich
das neue wird noch zurückgewiesen
EIN HAUCH VON FRÜHLING…
PARK WILHELMSHÖHE UND GEWÄCHSHAUS…
es wird doch nicht… doch, doch – zarte anzeichen von frühling im blasenbaum…
das gewächshaus bestätigt es. kamelien, primeln, orchideen, mimosen, fensterblattähliches und …
noch klare aststrukturen am himmel – nicht mehr lange. sie sagen einiges über beschaffenheit und willensstärke des baumes aus.
ERSTE FRÜHLINGSTAGE IM WINTER…
EINSCHNEIEN LASSEN…
BÄUME SIND HEILIGTÜMER…
SCHNEE IM URWALD…
wer sagt, dass bäume nicht tanzen. dieser reckt sich der sonne entgegen – mit letzter kraft. wie ich ihn dafür bewundere…
und dieses hier – das allerschönste urwaldwesen, was ich im vergangenen jahr hier sah. sonnenhungrig wie wir menschen auch.
der kamineiche wieder mal ins geäst geäugt. eine vielzahl an formen und farben reizen immer wieder. nie sind die bilder auch nur ähnlich.
unterschiedliche entfernungen – geben sehdenkaufgaben…
AN DIE BÄUME IM WINTER…
gute bäume,
die ihr die starr entblätterten arme reckt zum himmel
und fleht wieder den frühling herab!
ach, ihr müßt noch harren, ihr armen söhne der erde,
manche stürmische nacht, manchen erstarrenden tag!
aber dann kommt wieder
die sonne mit dem grünenden frühling euch;
nur kehret auch mir der frühling und sonne zurück?
harr geduldig, herz, und bring in die wurzel den saft dir!
unvermutet vielleicht treibt ihn das schicksal empor.
Johann Gottfried von Herder (1744 – 1803)
ROSEN für ANNA ELISABETH …
heute wäre sie, ANNA ELISABETH – 99 geworden, wenn, ja – wenn …
das weiberkränzchen wäre eine gute idee, wenn, ja – wenn…
vor gut 10 jahren wollte sie noch 106 werden. als sie dann auf die neunzig zuging, befand sie, ach es reicht eigentlich. aber sicher war sie sich nicht. wenn wir im garten saßen und die sonne schien, sah alles wieder anders aus.
die wehwehchen hielt sie mit tabletten in schach. von ihrem krebs wußte niemand etwas – auch sie nicht. seitdem sie allein lebte ging es ihr einfach gut – wie man so sagt. um das zu zeigen, nahm sie, ging sie die treppe vom garten ins wohnzimmer hoch, gleich zwei stufen auf einmal. als ich sagte, dass ich mich heute nicht mehr trauen würde, mein wohnzimmer zu streichen, sagte sie – ich helfe dir. bis zuletzt gab es nichts, was sie sich nicht mehr zutraute. als ihr konrad noch lebte, fuhr sie ihn bis nach loekken, obwohl sie sonst nie auto fuhr und erzählte dann – im elbtunnel – ich immer vorne weg und die anderen alle hinter mir her…
das bild machte ich ihr nicht kaputt. bis zuletzt sorgte sie für sich und haus und garten – mit wenigen ausnahmen. die hilfe von enkel mirko nahm sie gern an. sie liebte, wenn man sie besuchte und zwitscherte und trällerte ihre lieder ganz so, als sei die welt in ordnung.
gern würde ich noch einmal mit ihr im garten sitzen, gern würde ich noch einmal ihr rosadorchen hören – doch das leben ist kein wunschkonzert…
HERLICHEN GLÜCKWUNSCH ANNA ELISABETH
von deiner tochter rosadora
EIN LUSTIGES WEIBERKRÄNZLEIN…
2008
brigitte 73, anna-elisabeth 88, rosadora 67…
anna elisabeth will 106 werden, rosadora, ihre tochter, sagt, sie überlebt mich, und brigitte, rosadoras freundin, will überhaupt nicht sterben. ein lustiges weiberkränzlein – wenigstens manchmal
…….
brigitte wird sich mit 120 überlegen, ob sie noch weiterleben will, anna-elisabeth hätte nach eigenem wunsch noch 18 jahre zu leben, rosadora, legt sich nicht fest, obwohl sie auch mal 103 werden wollte…
… WO ICH BIN, DIE WELT…
elbphilharmonie – eröffnung – foto: clara tuschick
stillhalten. sich um nichts bemühen.
nicht um reisen und ruhm,
nicht um liebe und geld.
es kommt, was soll.
zu frühen ruhm soll man fürchten.
in unserer welt ist nichts
ohne preis des verzichts zu haben.
die lange entbehrten sind entbehrliche gaben.
ist man alt,
schätzt man hoch, was man hat:
einen sonnenmorgen im frühen april.
an der birke das erste knospende blatt.
und die freiheit zu sagen: ich will – ich will nicht.
niemand kann mich zwingen,
um geld und ruhm mein lied zu singen,
wenn ich beides nicht brauche.
ich kann drauf verzichten, dass man mich kennt.
ich kann heimlich dichten.
und immer
ist da, wo ich bin, die welt.
eva strittmatter