SAMEN AUSLEGEN…

AMAR KANWAR
the sovereign forest

ottoneum
208 nr. 92

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´the sovereign forest soll die diskussion über unser verständnis von verbrechen, politik, menschenrechten und ökologie neu beleben und zu kreativen antworten anregen. die gültigkeit von poetischen werken als beweismaterial in enem prozess, der diskurs über sehen, verstehen und mitgefühl, über fragen der gerechtigkeit, souverenität und selbstbestimmung – all das verbindet sich in einer konstellation von bewegt- und standbildern, texten , büchern, flugblättern, alben, musik, objekten, organischen materialien, ereignissen und prozessen.
der hauptfilm mit dem titel THE SCENE erlaubt es den zuschauern eine landschaft zu erleben, kurz bevor sie in für den ankauf durch industrieunternehmen vorgesehene reviere aufgeteilt und daurch ausgelöscht wird.´

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es ist eine aufrüttelnde installation, eine sehr poetische ausserdem.
die ausgelegten bücher aus handgeschöpftem papier, mit aufschriften wie:
the forest of time
the tree with no name
the tree of insurgency
the tree of exile
the tree of the nomade
the tree of hallucinations
the tree of ancestors
the tree of sparrows and tubers
the tree of death

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ich ertaste seite für seite mit meinen händen.
handgeschöpft, das ist so selten und einmalig geworden bei uns.
ich habe es in meiner ausbildung als grafikdesignerin noch erlernt und das, was dabei herauskam, war immer eine grosse überraschung und freude. nun kommt es von so weit her in mein erinnern.

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die verschiedenen reissorten, die wie in einer apotheke in fächern geordnet an der wand hängen, werden in indien noch traditionell angebaut. die samen werden von bauern nur an bauern weitergegeben, die dadurch unabhängig vom internationalen saatguthandel bleiben. damit wird die artenvielfalt in ihrer region erhalten. ich staune über so viel konsequenz und zusammenhalt.

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der film erwirkt durch die langanhaltenden sequenzen eine entschleunigung. geduld und genaueres hinschauen entlockt er mir. durch wenige texteinspielungen erlaubt er das sich einlassen und vertiefte mitdenken.

ÜBERALL KRÜMEL…

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wenn sie sich verstecken und nicht heraus wollen,

wenn den gedanken der schwung fehlt,
wenn sie sich wie krümel überall herumtreiben
und keinen zusammenhalt finden,
wenn sie meinen, dass niemand mit ihnen rechnet,
wenn ihnen die bequemlichkeit zur lieben gewohnheit geworden ist,
wenn sie nicht heraus wollen, weil niemand auf sie wartet,
wenn ihnen jegliche motivation sich zu zeigen fehlt,
wenn sie herumdösen und das ziel aus den augen verloren haben,

welch ein dilemma,
welch eine qual,
welch ein versagen,
welch eine peinlichkeit,
welch ein horror,
welch eine schande,
oder eine gnade…

die wände unseres lebens…

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Robert Musil formuliert diesen Sachverhalt: „Alles Beständige büßt seine Eindruckskraft ein. Alles, was die Wände unseres Lebens bildet, sozusagen die Kulisse unseres Bewußtseins, verliert die Fähigkeit, in diesem Bewußtsein eine Rolle zu spielen. Ein lästiges Geräusch hören wir nach einigen Stunden nicht mehr. Bilder, die wir an die Wand hängen, werden binnen wenigen Tagen von der Wand aufgesogen; es kommt äußerst selten vor, daß man sich vor sie hinstellt und sie betrachtet.“
noch seltener, dass man sich vor sein nicht in erscheinung tretendes bewusstsein stellt, ihm die frage stellt, was kann ich heute für dich tun? Continue reading