die wände unseres lebens…

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Robert Musil formuliert diesen Sachverhalt: „Alles Beständige büßt seine Eindruckskraft ein. Alles, was die Wände unseres Lebens bildet, sozusagen die Kulisse unseres Bewußtseins, verliert die Fähigkeit, in diesem Bewußtsein eine Rolle zu spielen. Ein lästiges Geräusch hören wir nach einigen Stunden nicht mehr. Bilder, die wir an die Wand hängen, werden binnen wenigen Tagen von der Wand aufgesogen; es kommt äußerst selten vor, daß man sich vor sie hinstellt und sie betrachtet.“
noch seltener, dass man sich vor sein nicht in erscheinung tretendes bewusstsein stellt, ihm die frage stellt, was kann ich heute für dich tun? ganz zu schweigen davon, dass man selbst das vollumen seines bewusstseins nicht erfassen kann. ein bewusstsein lässt sich mit einem anderen nur schwer vergleichen, da es nicht die konsistenz einer landkarte hat, an der man sich orientieren könnte. auch geht es nicht um den vergleich ansich, sondern die sicht darauf, ob es gewonnen hat an ausdruckskraft. ob sich mir heute etwas besser zeigt als gestern, damit ich da anknüpfen und weitermachen kann. sich etwas klar zu machen ist nicht die leichteste aufgabe. immer wieder frage ich mich, warum ist das jetzt so, wozu passt dieses puzzleteilchen und was will es mir sagen. einen strich darunter ziehen, wie bei einer rechenaufgabe, geht auch nicht. mir ist klar, dass nicht alles, was gut ist, für mich gut ist, und dass das individuelle empfinden bei der bewusstwerdung eine grosse rolle spielt. dieses individuelle zum massstab werden zu lassen eckt oft an. doch ich sehe darin die einzige möglichkeit zu authetizität zu gelangen, mich abzusetzen von dem autistischen verhalten anderer.
dem beständigen anzuhängen hat nichts eindrückliches und hält nicht wirklich spannendes bereit. es ist der hinderungsgrund dafür, nichts mehr wahrzunehmen. alles ist wie es ist, wie es immer war. das beständige und bestehende lullt ein, fasziniert nicht, inspiriert nicht. die abwechslung erfolgt durch materielles bestechen. um anders auszusehen, kaufe ich mir ein neues lümpchen und noch eines, falls es nicht gleich bemerkt worden ist. aber tatsächlich interessiert auch das keinen mehr. lehrgelaufen der überraschungseffekt, abgestumpft der blick, weil ständig alles neu ist. wahrnehmungstrübung durch warenüberschuss. die kurve zu kriegen im bewusstmachen, warum ich etwas tue und zur einsicht zu gelangen, dass es falsch gelaufen ist, bleibt die ständige übung und das fazit, es zu verändern, mich auf werte zu besinnen, die meine authetizität stärken, damit ich mich herausnehme aus der breiten masse und in meiner eigenheit wahrgenommen werde und nicht aus leichter zu erreichenden gründen. dem beständigen ins kreuz treten – mach platz, du hast mir lange genug gedient. jetzt musst du weichen, anderem eine chance geben. die gewohnheiten, die schwestern des beständigen, gleich mit hinaus bitten. tief luft holen, mich umsehen und feststellen, ein leerer platz ist die beste aufforderung zu etwas neuem und ganz anderem. und anders muss es sein, sonst müsste ich mir die mühe ja nicht machen.