GARTEN DER SEELE…

XIANG YANG
ULTRASTRUKTUR: GARTEN DER SEELE
friedrichsplatz

GARTEN DER SEELE ist ein vielversprechender name, das diesem kunstwerk auf dem friedrichsplatz gegeben wurde. er verspricht, dass man darin wandeln kann. er verspricht auch, dass man sich darin besinnen kann. er verspricht vielleicht sogar seelenfrieden…

neben dem, dass mal alles wieder erklärt werden muss, um verstehen zu können, ist es doch für die kinder zugänglich. sie klettern hinein und wieder heraus , öffnen und schliessen die fenster, nehmen kontakt auf mit der umwelt und „mama guck doch mal“, und „komm mal rein“.
ein älterer mann fährt mit seiner hand über das holz. ich frage ihn, ob er sich für die verbindungen interessiert. wir mutmassen über den sinn und stellen fest, dass es eine gute arbeit ist.

es ist in keinem museum eingeschlossen, das ist schon mal gut. auch gut ist, dass die menschen miteinander reden und mit ihren eigenen ideen jonglieren, sie fliegen lassen.
rasenflächen sind ja schön, aber es ist eben nur rasen…

XIANG YANG
ULTRASTRUKTUR:
GARTEN DER SEELE

xiang yang ist ein in peking und new york lebender freischaffender künstler. damit verkörpert er selbst die interkulturalität, die auch in seiner ausstellung „alles unter dem himmel gehört allen“ und in seinem werk zum ausdruck kommt. xiang weiss, wie es als out- aber auch als insider im westen und osten ist. seine kunst wägt daher ab, tariert aus und strebt relativistische denkprozesse an.
in seinen installationen aus verschiedenen medien sind stoffe das primäre material. so benutzt er hundert bunte seidenfäden, um scheinbar gegensätzliche bilder verschiedener kulturen zu verbinden. die bunten fäden repräsentieren die traditionelle chinesische volkskunst. sie zeigen die vielfältigkeit, freiheit und demokratie der modernen welt, aber auch die verwirrung und das chaos der moderne. xiangs arbeit wird somit zu einer besonderen art des interkulturellen dialogs. „ultrastruktur: garten der seele“ wird am friedrichsplatz gezeigt, der von der wechselvollen geschichte der stadt berichtet und ein breites kontextuelles feld eröffnet.
seit seiner entstehung im jahre 1768 wurde der platz für die unterschiedlichsten zwecke genutzt, militärparaden wurden hier durchgeführt, er war der standort eines freizeitparks, diente aber auch als bühne nationalsozialistische propaganda. über die zeit machte er mehrere transformationen durch, nicht zuletzt durch die zerstörung im zweiten weltkrieg und durch die teilung des platzes im zuge der neuen strassenführung in den 1950er jahren.
in unmittelbarer nähe zur documenta-halle und zum ducumenta-kunstwerk „rahmenbau“ von haus-rucker steht xiangs „ultrastruktur: garten der seele“ unausweichlich in einem spezifischen kulturellen kontext.

xiang yang, *1967
central academy of fine arts
peking

ALLES UNTER DEM HIMMEL GEHÖRT ALLEN…

PRÄCHTIGE TAGE
wu daxin

weinberg
henschelgarten

ich frage ihn
ob ihm das gefällt
er weiss es noch nicht
der junge mann sitzt auf einer bank
und schreibt tagebuch
ich frage weiter
ob er denkt dass das eine solaranlage ist
sieht schon irgendwie so aus sagt er
aber es ist verkehrt angebracht
müsste der sonne zugewandt sein

er sagt auch noch dass es ganz gut aussähe
und schade nur dass es den schönen blick
auf die stadt verstellt

mir geht es ähnlich
der wunderbare blick ist zu
gerade jetzt im herbst
da alles so bunt eingerahmt ist

gegenüber im garten der murhardschen bibliothek
bunte tanzende figuren im gras in einer langen reihe
ob sie zu den ´prächtigen tagen´ gehören weiss ich nicht
würde aber thematisch passen

Im Flügelschlag der Sonne entgegen: Der Künstler Wu Daxin hat auf dem Kasseler Weinberg seine Arbeit „Prächtige Tage“ installiert. Die Konstruktion aus Flügel und Solarpanele ist mit einer Winkraftanlage verbunden. Mit dem gewonnenen Strom wird der Flügel nachts zum Leuchten gebracht.
Die Ausstellung ist Teil des Jahres der chinesischen Kultur in Deutschland und die bisher größte Schau chinesischer Gegenwartskunst im öffentlichen Raum außerhalb Chinas. HNA

sie geht vom 2. oktober 2012 (eröffnung heute im rathaus) bis 18. februar 2013 und ist auf 20 standorte in der kasseler innenstadt und der karlsaue verteilt.

nach so viel documentakunst nun noch mehr kunst – oder was soll das sein

EIN NICHTS…

im kompostloch der karlsaue
gesehen und schier erstarrt vor ergriffenheit
magische momente

manchmal werde ich
in die höhere wachsamkeit hineingeschockt
ich biege um eine ecke
sehe den himmel
und mein herz läuft über vor glück
es fühlt sich so frei
dann habe ich die vorstellung
dass ich nicht nur erschaue
sondern auch von drüben erschaut werden kann
und dass ich kein gesondertes objekt bin
sondern einverleibt in das übrige
in den allumfassenden saphir
von rötlichem blau

im zentrum der beschauer/in
muss raum für das ganze sein
und dieser nichts-raum
ist nicht ein leeres nichts
sondern ein nichts
das für alles reserviert ist

leicht abgewandelt
aus
saul bellow
humboldts vermächtnis

DIE NEUE WELLE…

KARLSAUE
nach der documenta

hauptsache es ´wellt´ sich in kassel weiter
kreative betrachtensweisen sind wieder möglich

als fabeltier macht es sich sehr gut
und was war es denn nun – oder wird es erst…
auf jeden fall sieht es sehr geheimnisvoll aus
auf der nun menschenleeren wiese
die fantasiegänge sind etwas verstopft
von den überreichen angeboten der d13

na hauptsache es wellt sich weiterhin

DIE SCHAU IST ZUENDE…

dOCUMENTA 13
fridericianum

»Der Tanz war sehr frenetisch, rege, rasselnd, klingend, rollend, verdreht und dauerte eine lange Zeit«

der abschlusstanz auf dem dach des fridericianums war alles andere als das.
niemand hat etwas verstanden, schrill klang das gesagte über die menschen hinweg. so unverstanden klang es wie eine publikumsbeschimpfung – als würden die besucher der dOKUMENTA 13 verhöhnt und ausgelacht. selbst schuld, wer auf die ´schau´ reinfiel und wer dachte, es sei kunst…

schade, dass für die geduldig ausharrenden und wehmütig auf ein gelungenes ende wartenden der höhepunkt ausblieb. ein fest – eine féte in den windräumen z. b. doch das fest auf gleis 1 blieb für die mitarbeiter der d13 – für die öffentlichkeit geschlossen.

ganz kassel hätte einen grund gehabt zu feiern. aber mit eigeninitiative ist nichts, und so wird kassel wieder in seinen dornröschenschlaf zurückversinken bis zur nächsten documenta. schade.

ENDLOS – UNAUFHÖRLICH XII

PIERRE HUYGHE
untilled

SYMBIOSE

in der biologie bezeichnet die symbiose das zusammenleben von organismen verschiedener arten, das vielfach für einen oder mehrere partner vorteile bietet.

hier ist die springpflanze mit einer zaunwinde eine verbindung eingegangen. die winde will ins licht und klettert den stil entlang, die springpflanze wird von ihr vor austrocknung geschützt und kann so noch eine weile aufrecht stehen. sie bauen sich gegenseitige brücken – hier nur eine halbe – aber immerhin. es sieht schön aus, entlockt mir ein staunen – immerhin…

ein beispiel für fortpflanzungssymbiose ist die symbiose zwischen bienen und blütenpflanzen. die biene nimmt den nektar der blüten als nahrung auf, dabei bleiben die pollen der blüte an ihr hängen, welche die biene dann weiter trägt und damit eine andere blüte bestäubt, so dass diese sich vermehren kann.
die springpflanzen haben sich viel zu früh davongemacht. wie weit die bienen nun fliegen müssen, um an ihren nektar zu kommen. sie finden über viele kilometer ihre futterplätze. das finde ich sehr erstauntlich für diese kleinen, wohl sehr schlauen wesen.

der knöterich ist nicht wählerisch. er klettert an allem hoch, was sich ihm in den weg stellt. hier mit den anderen pflanzen sieht er zauberhaft aus – und so gegen das licht…

symbiose zum schutz vor feinden: ein beispiel für diese symbiose ist die beziehung von ameisen zu blattläusen. die ameisen geben den blattläusen schutz vor feinden, im gegenzug lassen sich diese von den ameisen „melken“, sie sondern eine zuckerlösung ab, welche die ameisen zu sich nehmen.

ENDLOS – UNAUFHÖRLICH XI…

ÜBER DIE UMKEHR VON ZEIT UND RAUM
pierre huyghe

ständehaus
14. september 2012 19 uhr

Nach Ansicht des Künstlers Pierre Huyghe bleiben Dinge nicht in einem vorgegebenen Zustand. In seiner jüngsten künstlerischen Arbeit setzt er sich in erster Linie mit lebendigen Materialien wie Gärten oder Wasserökosystemen auseinander. Sie wachsen, verschwinden, tauchen wieder auf und sind – unabhängig von Zeit und Ort ihrer Präsentation – ständig in Umwandlung begriffen, wodurch sie unsere Beziehung zu Raum, Zeit und Erinnerung herausfordern. In diesem Sinn entwickeln sich auch Ausstellungen wie Zellen, bilden Teile eines größeren Organismus, folgen einer Reihe von Interaktionen und Operationen. In welchem Ausmaß diese Prozesse ein Umkehrbarkeitsprinzip hervorrufen, ist eine der Fragen, die der Künstler erörtern wird.

die präsentation untilled ist nur eine begrenzte zeit für uns zugänglich. die ´ständige umwandlung´ können wir also nicht erfassen, nur aus unseren gemachten erfahrungen hinzudenken. wenn etwas verschwindet, ist es noch nicht aus der welt. es durchläuft eine reihe von kreisläufen und endet nie.

wenn wir menschen in die kreisläufe eingreifen, ist ein natürlicher lauf unterbrochen.
wir machen garn und stoff aus brennesseln, ernten die samen des springkrautes und verwenden sie in unseren speisen. den psychodelischen pflanzen rücken wir sehr nahe, in medizinischer absicht oder zum rausch oder gar todbringenden verabreichungen.
können wir menschen uns in den kreislauf der natur einreihen, dann müssten wir ihr in einer viel sensiblere weise begegnen.

verschiedene kreisläufe verbinden sich miteinander, das verlangt rücksichtnahme im günstigen falle. doch auch in der natur gilt oft das gesetz des stärkeren. dann beginnt ein neuer kreislauf und wir sind mittendrin.

ENDLOS – UNAUFHÖRLICH X…

DAS ENDE SCHON ZU SEHEN…
pierre huyghe
human und senior

karlsaue
262 nr. 83

komm mit
wir wollen mal sehen
wo das ende bleibt

nun komm
mach schon

länger halt ich das hier nicht aus mit den vielen menschen

wo bleibst du denn

hier oben können wir es vielleicht entdecken

schau mal in die andere richtung

kein ende zu sehen

rein garnichts was darauf hindeuten könnte

die strapazieren unsere geduld all zu sehr

komm wir verschwinden erst mal im grünen

ENDLOS – UNAUFHÖRLICH VIII…

A B S C H I E D
pierre huyghe


Jede sprossende Pflanze, die mit Düften sich füllt, trägt im Kelche das ganze Weltgeheimnis verhüllt.

aus: weltgeheimnis
Emanuel Geibel

abschied hat einen geruch

das weiss ich seit heute

im erdloch umduftet er mich

macht mich wehmütig

noch ist es feucht

die erde lüftet aus

ich setze mich auf die steinstapel

ich geniesse die stille

in mir breitet es sich aus

dieses verlassenwerden

der wuchs der pflanzen

er hat mich erfreut

auch glücklich sein lassen

doch nun verabschieden sie sich
frühzeitig

die komposterde hat sie

rasch emporgetrieben

zu schnell

das hat sie keinen widerstand

bilden lassen

gegen regen und wind

die blüten hatten nicht genug zeit

sich ordentlich zu entwickeln

kräftig zu werden

der imker sagt

der honig wird ganz wässrig schmecken

nun liegen sie

breit und platt am boden

die springkräuter

verlieren ihre säfte

werden braun und brüchig

bilden neue morbide muster

er kam zu früh

der niedergang

das macht die wehmut

den schmerz im herzen

das leben war zu kurz

anderswo wachsen die springkräuter

noch bis zu beginn des frostes

es wird sich auflösen

es wird sich verwandeln

der boden ist bereitet

die neuen pflänzchen

strecken schon ihre köpfe heraus

kommen und gehen

leben und sterben

immer wieder schenkt uns

das kommen die freude

das gehen die traurigkeit

vielleicht
weil wir wissen

dass das

auch unser weg ist

irgendwann einmal