über mir
sonne mond und sterne
hinter ihnen
unendliche welten
hinter dem himmel
unendliche himmel
über dir
was deine augen sehen
in dir
alles sichtbare
und
das unendlich unsichtbare
rose ausländer
über mir
sonne mond und sterne
hinter ihnen
unendliche welten
hinter dem himmel
unendliche himmel
über dir
was deine augen sehen
in dir
alles sichtbare
und
das unendlich unsichtbare
rose ausländer
ZUM 112. GEBURTSTAG
flieder verführt mich
zum schwur
ich bin ein atem
im mai
die blauen adernflüsse
wer nimmt ihre mündung wahr
welchen anteil
haben die sterne
an meinem traum
im maiglöckchenraum
dem störrischen stier
geweiht
der widerspruch
steckt mir als angel
im blut
rose ausländer
mai
mein monat
du streust
den weissen
blütenschnee
mir in den nacken
er brennt
rose ausländer
es braucht nur zwei hände
in die es sich legen kann
und die ohren spitzen
für die wohltat des augentrosts
ich bin rund wie ein ball
sagt das frettchen
kugelt sich zusammen
und lacht insgeheim
dietlind
zwei hände
hätte es gebraucht
damit es sich hätte
hineinlegen können
was ist schief gegangen
ich weiss es nicht
aber
es lacht insgeheim…
rosadora
dietlind kinzelmann
aus:
WILDFÜSSIG NACH NINIVE
christel göttert verlag
wir könnten auch anwachsen
zu stein werden
oder wie sand zerbröseln
für immer und ewig nichts und alles sein
darin aufgehoben
zusammengefügt wie es einst war
bevor die götter vor neid erblassten
und dreinschlugen
so dass wir vereinzelten
dietlind kinzelmann
aus: WILDFÜSSIG NACH NINIVE
christel göttert verlag
süsses land
wo über gefrorenem wasser
kirschbäume blühen
und die wolken sich abendlich säumen
in vordester reihe
neugierig wie die ziegen
fangen meine füsse an
mit der zwitschernden zukunft
zu tanzen
SIDI CHAMHAROUCH
aus: wo die bäume das sagen haben
dietlind kinzelmann
abende gleiten vorüber gehen nirgendwohin
bäume sind der leidenschaft fähig
die aprikose und die maulbeere
lassen kein auge voneinander
sie reisen zu zweit
und geben angeregte uralte laute von sich
wenn sie sich paaren
die nacht zerreissen
nicht anders als blitze
etel adnan
aus: jahreszeiten
schriftstellerin und malerin
geb. 1925 in beirut
teilnehmerin der dOCUMENTA 13
bäume haben viel leben
dank ihres zusammenstosses
jahr für jahr
mit dem frühling
sie sind im boden verwurzelt
im gegensatz zu den tieren
ihre seelen sind leichter
dem vergessenen ursprung näher
sie kennen jeden der kommt
und wissen
dasein heisst
das chaos zu umkreisen
etel adnan
aus: jahreszeiten
schriftstellerin und malerin
geb. 1925 in beirut
teilnehmerin der dOCUMENTA 13
die künstlerin E. R. NELE wird heute 80 jahre.
HERZLICHEN GLÜCKWUNSCH
und weiterhin viel gute ideen und energie
für künstlerisches schaffen
eine ihrer wichtigsten arbeiten ist die installation „DIE RAMPE“ auf dem gelände der universität kassel
„Die Rampe“ auf dem uni campus ist ein mahnmal für die deportierten und opfer des holocaust und des nationalsozialistischen regimes der jahre 1933 bis 1945
sie wurde am 8. mai 1985 eingeweiht
dem 40. jahrestag des kriegsendes und der befreiung vom nationalsozialismus
Eva Renée Nele Bode
war teilnehmerin der documenta II (1959) und der documenta III (1964)
„Die Rampe“ (K 18 während der documenta VII)
EIN RINGEN MIT UND UM DAS MENSCHSEIN…
„Im Mittelpunkt von Neles künstlerischem Werk steht seit nunmehr sechs Jahrzehnten der Mensch. Diesen setzt sie in ihren Arbeiten als Einzeldarstellung oder in Gruppenarrangements immer neu in Szene. Doch geht es ihr nicht um die naturalistische Abbildung von Personen. Vielmehr rückt sie durch eine abstrahierte, vereinfachte Darstellungsweise innere Zustände, aber auch die Interaktion mit anderen Menschen und mit der Umgebung in den Vordergrund. Dazu reduziert die Metallbildhauerin die menschliche Gestalt auf ihre Grundmuster oder setzt sie aus abstrakten Formen zusammen. In dieser Reduktion verkörpern ihre einzelnen Skulpturen menschliche Gefühle und Befindlichkeiten, erzählen vom Menschsein mit all seinen Facetten. Das Spektrum reicht von Freude über Nachdenklichkeit bis hin zu Traurigkeit, Einsamkeit und Verzweiflung. Über die Jahre hinweg erforschte Nele auf vielfältige Weise den Menschen als individuelles, biologisches, kulturelles und soziales Wesen. So ist ihr gesamtes Werk im Grunde als ein Ringen mit und um das Menschsein zu verstehen.
1932 in Berlin geboren studierte Nele von 1950-1955 an der Central School of Arts and Crafts in London, an der Hochschule der Bildenden Künste in Berlin und am Studio Lacouriere in Paris. Neben ihrer Teilnahme an der documenta II/III und VII ist sie seit den sechziger Jahren auf zahlreichen internationalen Einzel- und Gruppenausstellungen vertreten. Ihre Arbeiten sind in großen Museums- und Privatsammlungen sowie im öffentlichen Raum zu finden. Neben vielen anderen Preisen erhielt Nele den Hessischen Kulturpreis und die Goetheplakette der Stadt Frankfurt am Main.“
(Quelle: Pressetext Galerie Heike Strelow)
„ Prinzessin, 2009“ ist eine der Skulpturen, die im Rahmen der Ausstellung „ Yesterday & Tomorrow“ von E.R. Nele im Karmeliter Kloster zu sehen ist.
EIN ENGEL WERDEN…
etel adnan:
„…denn je weiter wir nach „aussen“ gehen, desto mehr werden wir uns „innen“ wiederfinden.
…und wenn wir jenseits von raum und zeit angekommen sind,
wird sich etwas anderes erschliessen.
wir werden wissen,
was es für den menschen bedeutet
ein engel zu werden.“
alles ist in allem
materie nimmt gestalt an
doch die ist nicht in alle ewigkeit festgelegt
aus diesem kann auch jenes werden
in einem baum befinden sich unzählige gestalten
sie treten hervor und ich kann sie sehen
nicht immer
ich muss mich einstimmen einschwingen
und der baum muss bereit sein
sich mir zu schenken
mich einzuweihen in das grosse geheimnis
diesen engel fand ich bei meinen fotoarbeiten im urwald
ich nahm ihn mit mir
seiner beschützende geste wollte ich mich
ergeben
ich wollte schreiben versichern
aber das geht nicht
nur solange ich diesen schutz wahrnehme
ist er auch da für mich
gerät er in vergessenheit
verschwindet er
ich habe eine solide beziehung zum universum aufgebaut
da bin ich mir sicher
ich bewege mich frei zwischen sonne und mond
ich gehe noch weiter
ich stürze mich in schwarze löcher und tauche heil wieder auf
ich reite auf kometen zähle galaxien
ich bin auf du und du mit lichtjahren und all das
seit ich in sekundenschnelle zum rand des universums gereist bin
und die seltsame bewegung die ich dort angelangt erlebte
ahnungsvoll für den beginn eines chaos hielt
etel adnan
libanesische malerin und schriftstellerin
dOCUMENTA 13
aus: im herzen des herzens
eines anderen landes