DIE FORM GENÜGT…

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der sonne gleich
wähnt sich ein jedes
die form genügt
in jedem fall
es wellt und strahlt
in freiem bildnis
kennt keinen takt
kennt keine zeit
die welt ist nah
die welt ist weit
in allem ist sie
wie ich sah

dichtung zu einer tischmaserung
beim frühstück bei sonne im freien

rosadora

GANZ FLÜGEL…

J A S M I N -

FÜR J A S M I N
06.06.2011

WENN DER TOD EINE FRAU WÄRE
ellen kort

ich wünschte mir, sie käme mich holen und würde duften nach zimt
ein buntes kattunkleid tragen lila vielleicht knallrosa

ein rotes tuch im haar sie würde
anständigen kaffee mitbringen papayasaft einen strauss seegras

salzgebäck und ein lotterielos wir würden eintauchen
die finger in die feuchten münder des frauenschuhs

uns hinhocken und sehn wie der kohl sich anfasst
wenn wind ihn zaust vorn im garten wir würden wandern

durch die wälder finden das alte haus
die geborstenen fundamente von geisblatt umstrickt

und im vorgarten eine überraschung narzissen
machen die luft gelb leuchten und reifen

blühn noch für eine gärtnerin die längst fort ist
wir würden zum strand laufen muschelschnüre

ums linke fussgelenk und lachen über das klimpern
den gemessenen rhythmus der kommt beim tanzen

auf festgestampftem sand der beifall von meer und möwen
sie würde lieder spielen auf der okarina für den beinah gerundeten mond

und ich würde falsch dazu singen wir würden dahingleiten und herabsausen
konfetti werden von fallendem laub
ganz flügel

treiben auf kleinen wirbelwinden kein einziges mal fürchten
den fall, der das herz zum schweigen bringt und wenn´s
an der zeit wär

würde sie mich nicht baden stattdessen würden wir
die veranda schrubben
das restliche wasser auf blumen kippen lange dastehn

in sonne und stille dann hand in hand
uns aufstellen für ein foto im letzten licht

ZWEI WEIDEN…

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zwei weiden umarmt
über den see geneigt
verbringen sie
sommer und winterzeit

sie schauen
auf das wasser hinaus
enten und vögeln
sitzplatz und haus

der wind verzaubert
das weidelied
erklingt
wenn die sonne kommt
und wenn sie entflieht

zwei weiden am see
haben ihre geschichte
und ich die meine
macht niemand zunichte

rosadora

DAS GEZEICHNETE ICH…

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Durch so viel Form geschritten,
durch Ich und Wir und Du,
doch alles blieb erlitten
durch die ewige Frage: wozu?

Das ist eine Kinderfrage.
Dir wurde erst spät bewußt,
es gibt nur eines: ertrage
– ob Sinn, ob Sucht, ob Sage –
dein fernbestimmtes: Du mußt.

Ob Rosen, ob Schnee, ob Meere,
was alles erblühte, verblich,
es gibt nur zwei Dinge: die Leere
und das gezeichnete Ich.

(Gottfried Benn)

…EIN RAND VON ALTEN BÄUMEN…

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Der Abend wechselt langsam die Gewänder,
die ihm ein Rand von alten Bäumen hält;
du schaust: und von dir scheiden sich die Länder,
ein himmelfahrendes und eins, das fällt;

und lassen dich, zu keinem ganz gehörend,
nicht ganz so dunkel wie das Haus, das schweigt,
nicht ganz so sicher Ewiges beschwörend
wie das, was Stern wird jede Nacht und steigt –

und lassen dir (unsäglich zu entwirrn)
dein Leben bang und riesenhaft und reifend,
so daß es, bald begrenzt und bald begreifend,
abwechselnd Stein in dir wird und Gestirn.

rainer maria rilke

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