KOMM IN DEN PARK…

AUEPARK

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komm in den totgesagten park
komm in den totgesagten park und schau:
der schimmer ferner lächelnder gestade.
der reinen wolken unverhofftes blau
erhellt die weiher und die bunten pfade,
dort nimm das tiefe gelb, das weiche grau
von birken und von buchs, der wind ist lau.

die späten rosen welkten noch nicht ganz.
erlese küsse sie und flicht den kranz.
vergiss auch diese letzten astern nicht.
den purpur um die ranken wilder reben
und auch was übrig blieb von grünem leben
verwinde leicht im herbstlichen gesicht.

stefan george

DIE PRACHT DER BÄUME…

AUE_KL. WASSERBLÄTTER_P1370594da ich die grüne pracht der bäume zärtlich liebe
und folglich mich anjetzt im herbst bei ihrem fall,
bei der entblätterung der wipfel überall
und der vernichtigung des laubes recht betrübe,
so deucht mir doch, ob hör ich sie im fallen
zu meinem troste dies mit sanftem lispeln lallen:
„du siehest uns von dem geliebten baum
nicht, um denselben zu entkleiden,
noch um ihn nackt und bloß zu lassen, scheiden;
ach nein wir machen frisch und schönern blättern raum.“

barthold hinrich brockes (1860 – 1747)

AUE_BLÄTTER AUF TEICH__23.104AUE_BLÄTTER AUF WASSER_II__23.106

EIN MÄRCHEN AUS EIS…

GLASBERGOLYMPUS DIGITAL CAMERA

 

foto: mirko tuschick

schnee
tut einen reim lang
weh

vorher fiel er
zur rechten zeit
die landschaft wird danach
sanft wie ein volkslied

im ungeschiedenen weiss
ziehen schneemänner
für den winter zu felde

der zerbricht hinterm wald
das eis der flüsse
mit eigenen händen
um aus ihm für ein märchen
den glasberg zu bauen

karl krolow
aus: reclam
gedichte FEBRUAR

EIN GEDICHT KANN MEHR…

GEDICHT_P1270588ein gedicht
kann sich nur dort
einnisten
wo man es
aussetzt

eine bombe
kann nur dort
explodieren
wo man sie
zündet

rosadora

12. februar 2015

die schwirrenden
momente
beruhigen
mit hoffnungsvollen
wortgebärden
ihnen eine heimat
einräumen
sie nähren
mit fantasie
aus meinem
mutterwortland
ihnen platz geben
für stunden
tag und jahr
damit
sie bleiben

rosadora

aus:
MEIN SCHAUKELHERZ
rosadora g. trümper tuschick
2010 bei BoD

THEMA F R I E D E N . . .

frieden ist jederzeit gefährdet. man muss sorge tragen und nicht nur das. sich gütlich zu einigen ist eine kunst, menschlichkeit mangelware. und zu meinen, dass liebe das allheilmittel ist, ist mehr als naiv.

EIN GEDICHT...90142als klaus staeck diese postkarte zur documenta vor vielen jahren herausgab, machte das auf mich grossen eindruck. dass sie heute noch so aktuell ist wie seinerzeit, stimmt mich traurig. nichts scheint sich verändert zu haben, oder wenn, dann nur verschoben. die raketen hat man als gefährlich eingestuft, die atomwaffen sind noch immer im gespräch. und friedlich kann man uns nicht betrachten, solange wir mit krieg operieren und eine ministerin den kurden mehr waffen verspricht und mehr kriegerische ausbildung fördert.

mehr denn je ist frieden in gefahr. wir müssen unsere lebens- und denkweisen ändern, sonst geht alles den bach runter.

DEN FUSS AUF DER ERDE…

6.06.08_FALTEN_meckelburg_krimskram II 142

den fuss auf der erde
den kopf himmelhoch
gereckt der hals
im schreckhaften zögern
des geschehens
eingebettet
die wörter
nicht flugbereit
wo kämen wir denn
dahin
hat es mich verschlagen
trotz drohender gebärde
den satz
beendet
nicht wie gewollt
ohnmächtig
herz hals kopf fuss
stolpernd

rosadora

aus: MEIN SCHAUKEHERZ – gedichte
rosadora g. trümper tuschick

SCHLOSS-GINKGO IM HERBST…

Dieses Baums Blatt, der von Osten
Meinem Garten anvertraut,
Giebt geheimen Sinn zu kosten,
Wie’s den Wissenden erbaut,

Ist es Ein lebendig Wesen,
Das sich in sich selbst getrennt?
Sind es zwei, die sich erlesen,
Daß man sie als Eines kennt?
WILHELMSHÖHE HERBST_GINKGO_9.11
Solche Frage zu erwiedern,
Fand ich wohl den rechten Sinn,
Fühlst du nicht an meinen Liedern,
Daß ich Eins und doppelt bin?

Goethe, 1819 (1815)