URWALD SABABURG REINHARDSWALD
MEIN BAUM…
nach einer enttäuschung muß ich mich erst wieder fangen – kein raureif im urwald. und was nun. abschalten – umschalten – ich gehe erstmal zu meinem baum – irgendwann wird er mal ganz in sich zusammengefallen sein. jetzt aber schaut er aus, wie der bewacher dieser adlerfarn-lichtung.
ein teppich aus adlerfarn, nicht ganz ungefährlich mit den abgeknickten stengeln, wie schlingen. doch irgendwer oder -was muß hier schleichwege anlegen. wildschweine. hier ist wildschweingegend, wie eigentlich überall im reinhardswald. das erleichtert es mir, bis hin zu meinem auserwählten zu kommen.
langsam schreite ich und hocherhobenen beines durch den farnwald, schaue und schaue mal wieder ganz neu. hier und nahe am boden raureif, der verändert und verzaubert.
dass ich hier neue urwaldwesen finde, überrascht mich. hier war ich schon sehr oft und verfalle immer wieder dem großen irrtum, dass ich schon alles gesehen und vor allem fotografiert habe – auch so registriert in meinem kopf. der reif zaubert neue wesen, verwandelt die schon früher gefundenen. finden ist heute nicht so schwer – sie hocken mir vor meinen füßen. ich begrüße sie, berühre sie, wo sie erreichbar sind. eines hockt ganz oben im baum…
die ERLEN vergaß ich zu erwähnen. sie werfen ihre blätter schon ab, wenn sie noch fast ganz grün sind und heute strömen sie, trotz rauhreif und kälte, einen betörenden duft aus. tief atme ich ein, sie versorgen die ganze gegend damit. hier gibt es viele erlen.

mein baum zeigt sich mir herausgeputzt. ihm scheints gut zu gehn, er strotzt vor kraft und freude. vielleicht ist er auch überrascht über mein kommen, und ich freue mich über unsere begegnung. wenn es ein weihnachten gibt – dann so…




zauberhaft und mit jedem schritt schöner. überraschung an überraschung. so ununterbrochen und durchgehend der raureif wie zuckerbäckerei und fast ein bißchen kitschig. jedes bild ein treffer, jedes foto ein hochgenuß.


aber die überraschungen liegen vor mir, wenn ich nur gehe. erst erregt er meine aufmerksamkeit, obwohl er noch weiter weg ist, der besondere baum. ich zoome ihn heran und er bleibt einfach nur ein baum, der mir ins auge fällt. ich bin von ihm durch einen graben getrennt. und als es dann die möglichkeit gibt, zu ihm hinzugelangen, ist die überraschung groß. das, was mir an dem stamm so eindruckvoll schien, ist ein herabhängender dicker baumstamm. der baum, wohl mehrstämmig, war einfach umgeknickt und aufgerissen und es sah aus, wie eine große blutige wunde. kopfüber hing er nun fest und baumelte in der luft. er berührte fast die erde, deshalb sah es von weitem aus wie ein farbiger stamm.

die sonne blendet, meine brille läuft an, und ich fotografiere fast blind und auf verdacht. bin dann überrascht, dass fast jedes stimmt.

dann aber hochgerappelt und unbeirrt über die eiswiese zu meinen fotomotiven.
heute habe ich mir eine stelle ausgesucht, wo ich in den wald nur schlecht hinein kam, wegen hartnäckigem eisfarn. also, blieb ich fast nur auf dem weg – mit wenigen ausnahmen, wo ich einschlupf fand. doppeltes aufpassen war angesagt, dieweil hier keine menschen sind. also, findet mich auch niemand, wenn ich falle. handyempfang unsicher.






für meine waldwesensuche ist sonne nicht sehr geeignet – der kontrast von hell und dunkel zu stark. zwar mache ich immer mal wieder den versuch sie zu fangen, das ein oder andere wesen, aber ich kenne die auswirkungen der zu grellen sonne. im november steht sie noch dazu besonders schräg, und schräg sind dann auch die bilder.
hier, wo es keine wege gibt, ich durch hochblühendes gras und gestrüpp mich fast zwänge, bleibe ich hängen an brombeerzweigen. mein mantel kennt das schon und weist die dornen, nachdem sie sich festgekrallt haben, wieder ab. heidelbeerbüsche, leichter zu durchqueren, und immer von einem umfallbaum zum anderen, an denen sich die waldwesen besonders gern anlehnen. ich beneide sie um ihren überlebenswillen und den einfallsreichtum zur neugestaltung – die einen in wesen, die anderen in unwesen und als solche nicht zu erkennen. auch die unwesen bemerke ich und schaue sie an. vielleicht mache ich auch mal ein buch über die unwesen des waldes. mag ja angehen. alles, was die fantasie anregt, ist mir willkommen.



dann reden wir – eine lange weile – und till meint dann, sich erinnern zu können, mit mir im UNTILLED von pierre huyghes bei der d 13 schon mal gesprochen zu haben.

nach oben fotografiert… heute habe ich gar keine lust zu fotografieren. einfach nur sein. klettere dann aber zu meiner DUNKLEN SCHÖNEN, die jetzt zu erkennen ist zwischen laublosen staksebäumen. so enttäuscht bin ich, wie sehr sie sich verändert hat. nicht mehr zu erkennen als SCHÖNE. vielleicht als DUNKLES etwas. und – wie die zeit vergeht – oder wir – erkenne ich und muß es hinnehmen.

später noch das erinnern an den satz – …nur nach oben fotografiert.

leise angerührt hat es mich. die zarten farben wie aquarelle. herausragend einzig die goldgelben lärchen. sie hocken in den hängen und leuchten in der sonne. hinzu kam ein süßlicher duft von irgendwelchen blättern. er zog durch den gesamten steinbruch. erlen nehme ich mal an. eines fische ich aus dem wasser – größer als meine ausgestreckte hand. es strahlt mich an und zeigt sich in seiner letzten pracht. dass ich dann nassen fußes weiter muss, macht mir nichts aus. es ist nicht sonderlich kalt.
und wie viele viele verschiedene bäume da wachsen – unglaublich. habe erst jetzt darauf geachtet, wo mir die blätter zu füssen liegen.

