LICHTE MOMENTE…

LICHTE MOMENTE
nachlese in pierre huyghes „untilled“ dOCUMENTA 13

WAS ABER BLEIBT…
wissen die götter

ich will es wissen und schaue nach schaue immer wieder nach damit ich nichts versäume
die sich so prächtig als pflanzen entwickelten liegen nun am boden
sind im begriff sich aufzulösen werden zu erde zu fruchtbarer erde die die samen aufnimmt und wieder neu wachsen lässt

im moment ist herbst und das zurerdewerden schreitet voran in schnellen schritten
ich kann nicht von einem schleichenden prozess berichten der verlauf ist vorgegeben und nicht aufzuhalten

der sommer war glanzvoll und duftend der herbst fallsüchtig und vergehend aber immer noch duftend
der winter wird einen ruhigeren verlauf nehmen er wird mir geduld abverlangen weil ich auf das wiedererwachen der natur warten will
aber eigentlich schläft sie ja nicht nur der verlauf ist für uns fast unsichtbar
eigentlich ist schon alles in vorbereitung und hilde domin benennt es so „es knospt unter den blättern – das nennen sie herbst“ ein schönes bild und ein trostspendendes man muss nur schauen und riechen und hören und alles ist da
das vergehen erzählt vom sterben das es nicht gibt alles ist in verwandlung wieder und immer wieder
das vergehende bereitet schöne bilder man muss es nur anschauen ohne scheu und mit auge und verstehen mitvollziehen

Books on Demand
Paperback, 60 Seiten
€ 14 90 *inkl. MwSt.

LICHTE BLICKE…

LICHTE BLICKE
in pierre huyghes „untilled“ documenta 13

BESEELTE ORTE
MAGIE DER PFLANZEN

immer bin ich es selbst die einen bezug zu einem bestimmten ort herstellt so auch zu diesem kompostloch
mit den pflanzen begann mein interesse zu wachsen an erster stelle waren da die brennnesseln
sie besitzen eine enorme wuchskraft und haben überall ihre stengelchen im spiel
anfangs habe ich mich an ihnen verbrannt das zeigte mir wie unvorsichtig ich mit ihnen umging
später als sie mir über den kopf wuchsen habe ich das nicht mehr zugelassen
es entstand ein verständnis füreinander

das indische springkraut gab dann den sommer über den ton an
es umflog mich mit seinem duft den nahm ich in meinen kleidern mit nachhause
es bestach mich mit wunderschönen blüten und seiner grösse
es wuchs mir buchstäblich über den kopf wie die brennnesseln
ich entdeckte viele heil- und gift- und andere pflanzenarten und alle bekamen meine aufmerksamkeit
ich erkundete ihre wirkweisen
ich erlebte die wachstumshöhepunkte wie das springkraut keck seine samen in die welt schleuderte und ich sah seinen zusammenbruch – zusammenbruch deshalb weil manchmal ganzen gruppen den hang hinunterkippten
die hohlen stengel gaben geräusche von sich schmerzensgesänge
es tat mir in der seele weh aber das muss es ja nicht

nicht sagen kann ich wann ich diese enge beziehung zu diesem ort zu den pflanzen den hunden den bienen zu den anderen tieren und den menschen entwickelt habe
es war ein schleichender prozess aber so heftig dass ich in abständen noch immer nachschaue wie das vergehen seinen lauf nimmt was ich erkennen kann und was es mit mir macht was es mit mir zu tun hat mit meinem vergehen verwandlung in allem
ich werde mich wohl erst wieder im frühjahr trennen können wenn ich sicher gehe dass alles wieder beginnt

meine fotos entstanden während vieler besuche
sie zeigen die schönheit des kommenden und des vergehenden in eindrücklicher weise
in allem fand ich mich selbst

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Paperback, 60 Seiten
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…UND ICH SELBER MITTENDRIN…

ENDLOS – UNAUFHÖRLICH – documentanachlese

irgendwie bin ich hineingeraten in diese brennnesselwucht,
in dieses springkrautohnemacht. es ist nicht miteinander zu vergleichen und doch geht alles den weg des vergehens. die zeitliche abfolge ist nur verschieden und die art und weise. alles gleicht sich und ist doch so verschieden.

mein kompostloch kommt mir nun abhanden. die veränderungen von menschenhand haben begonnen. die platten sind weg, der steinberg und auch der kieshaufen. der regen der letzten tage hat dazu verholfen, an der stelle ein schlammloch zu hinterlassen. da bin ich hineingeraten bis an die knöchel.

nichts hielt mich davon ab, den weg durch die brennnesselwüste zu nehmen. es war mühsam, aber es gab mir auch das gefühl, mitten darin zu sein. die frage ist nur, wie komme ich da wieder raus.
brennnesseleinsicht in doppelter hinsicht – sie warten die jahreszeiten nicht ab. mit ihren rhizomen sind sie immer bereit neu auszutreiben. und hier auf der komposterde fällt ihnen das gar nicht schwer.

zwischen langen und grossen und neuen frischgrünen nesseln fühle ich mich gestärkt. nach einer gewissen zeit weiss ich aber auch, dass ich nicht ihresgleichen bin, nicht dazu gehöre. ich entferne mich wieder und es ist immer wie abschiednehmen. ich kann es kaum aushalten. mit meinen erinnerungsbildern tröste ich mich darüber hinweg und hoffe, dass die gärtner nicht alles niederwalzen werden.

UNBEIRRT HIMMELBLAU…


kompostloch gestern, 25. oktober 2012

warum mutet uns der anblick von vergehendem so traurig und trostlos an. näher betrachtet ist alles sehr lebendig, weil in verwandlung begriffen, und farbig obendrein. die farbskala verändert sich, nichts ist mehr überwiegend bunt. das sanfte überwiegt und leuchtet doch auf durch eine intensität des morbiden.
morbide wird übersetzt mit „brüchig, im Verfall begriffen, krank, marode, morsch, von Zerfall gekennzeichnet“ und ist doch auch weit mehr. das morbide wagt sich in unseren gefühlsbereich. es lässt uns aufmerksamer werden, rührt an unsere seele, die das laute und bunte eher abstösst.
ich mag diese morbiden klänge, sage klänge, weil da wirklich ein singen und klingen enthalten ist in dem morbiden.
mich einhüllen in diese farben, in diesen klang – das ist vielleicht eine altersfrage. überhaupt hat wahrnehmung mit alter zu tun. immer mehr, immer besser lerne ich sehen und begreifen, immer mehr verstehe ich die zusammenhänge von den dingen und der welt. und dazwischen wir, die menschen.

den kreislauf im kompostloch habe ich von anfang an, also vom beginn der documenta und pierre huyghes kunstwerk verfolgt und in bildern eingefangen. im april schliesst sich dann der kreislauf und bis dahin werde ich immer wieder vorbeischaun und mir ein bild machen.

es gibt da dinge, die mich beeindrucken. die starke brennnessel z. b., wenn alles sich dem ende nähert, wagt sie einen neuanfang. ihr sattes grün fällt besonders auf zwischen den beige- und brauntönen. ich werde beobachten, was sie unter der schneedecke sich einfallen lässt. mit ihren rhizomen ist sie ja so gut wie nicht ausrottbar. sie lassen sie immer neu austreiben.
im kompostloch halten sie die hoffnung wach, dass alles wieder neu beginnt.

boretsch ist fast unirritierbar, hält sich in seiner form und blüht unbeirrt und himmelblau. ausserdem bringt er jetzt im spätherbst neue pflänzchen hervor. auf dem kompost gedeihen sie prächtig.

die vielen, vielen samen des springkrautes halten es etwas vorsichtiger. nichts verrät, wo sie sich verbergen in dieser jahreszeit. umso intensiver werden sie sich hervor wagen, wenn es zeit für sie ist.
im moment verzaubern mich die vielen verwandlungskünste der niedergestreckten stengel. sie zeigen mir bruchstellen, verbindungen und das geschehenlassen in grossem urvertrauen. keine form widerstrebt ihm, und grazie und formschönheit finde ich in jedem stadium.

ich lerne verstehen. fast bis zum letzten wird mir verständnis zuteil – fast…

LICHTE MOMENTE…

NEUES FOTOBUCH NEUES FOTOBUCH NEUES NEUES NEUES

LICHTE MOMENTE…

es ist keine leichte sache, der vergänglichkeit auf der spur zu sein. es ist die vorstufe zum abschied,
ehe die morbide stimmung sich ausbreitet und die farben ins matte fallen.
die bilder helfen mir, dass nichts ins vergessen fällt. rosadora

das letzte und das erste foto (cover vorn und hinten)
das ich von pierre huyghes werk in der kompostierungsanlage der karlsaue gemacht habe

es war mir ein anliegen
mich den pflanzen und ihren befindlichkeiten mehr und mehr zu nähern und damit anzunähern
das war mir wichtig für mein begreifen und verstehen
damit sich der kreislauf auch in meinen LICHTEN MOMENTEN schliesst
begleite ich das kompostloch noch bis zum april nächsten jahres
dann rundet sich das jahr und meine fotoarbeit

WHITE WALL
premium hardcover
A4 quer (57,85 euro)

WILHELMSHÖHE…

MIT HUMAN, SENIOR UND MARLON IN WILHELMSHÖHE

ein spaziergang mit hunden ist etwas ganz anderes als ein alleingang mit kamera
sie erschnüffeln die gegend
sie rennen von einem geruchstaumel zum anderen
schafsmist hats ihnen angetan
ojeh und human wälzt sich um den geruch zu intensivieren
ich schaue die gegend mit meinen augen an
fange bilder ein und speichere sie für ein nächstes mal
nun fangen sie auch noch eine maus od. einen maulwurf
jagen ihn sich gegenseitig ab und fressen ihn
das gehorchen ist nicht ihre sache
im kompostloch sollten sie möglichst ohne anweisungen sein
das hat man nun davon
hunde eben

EIN NICHTS…

im kompostloch der karlsaue
gesehen und schier erstarrt vor ergriffenheit
magische momente

manchmal werde ich
in die höhere wachsamkeit hineingeschockt
ich biege um eine ecke
sehe den himmel
und mein herz läuft über vor glück
es fühlt sich so frei
dann habe ich die vorstellung
dass ich nicht nur erschaue
sondern auch von drüben erschaut werden kann
und dass ich kein gesondertes objekt bin
sondern einverleibt in das übrige
in den allumfassenden saphir
von rötlichem blau

im zentrum der beschauer/in
muss raum für das ganze sein
und dieser nichts-raum
ist nicht ein leeres nichts
sondern ein nichts
das für alles reserviert ist

leicht abgewandelt
aus
saul bellow
humboldts vermächtnis