EMILIE LÖFFELHOLZ… zur erinnerung

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Am 28. juni 1877 geboren erlebte sie die jahrhundertwende, ohne je etwas gehört zu haben etwa von einer frauenbewegung. durchlebt hat sie sicher so manches, was ich mir in meinen künsten träumen nicht ausdenken und vorstellen kann.

Sie war büglerin. Auf fotos kenne ich sie nur mit grossen hüten und ausstaffiert wie eine grosse dame. Kann sie ja auch gewesen sein. Ich kenne sie als zurückhaltende, gutmütige – zu gutmütige – frau, die sich ausnutzen liess bis aufs letzte hemd. Und auch das hätte sie noch hergegeben, wenn es einen triftigen grund dafür gegeben hätte.

Sie bügelte für herrschaften und andere hohe tiere. Sie bügelte bevor sie verheiratet war, und das war sie lange ‚unverheiratet’, und sie bügelte nachdem sie verheiratet war.

Aber vorher noch schickte sie ihr ganzes erspartes ihrer schwester, dora, in amerika, die dort festsass mit 4 kindern. den mann hatte sie – oder umgekehrt – verlassen. emilie schickte ihr das geld, damit diese und die kinder wieder nach deutschland konnten.

mit 41 heiratete sie einen schneidermeister mit vier fast erwachsenen kindern, bekam selbst zwei kinder und stand bald wieder allein, da der angetraute ihr wegstarb. Sie bügelte weiter, ernährte ihre kinder, von denen ihr eines, sohn josef, der krieg nahm. gefallen, als er mit dem krad in einem spähtrupp unterwegs war. Da war dieser 19. von nun an war sie so sehr in trauer, dass sie diese haltung ihr lebenlang nicht mehr aufgeben konnte. Depression und anhaltende migräne begleiteten ihr leben.

Ihre tochter annaelisabeth heiratete und bekam zwei töchter. emilie nahm sie in ihrer wohnung auf. Dann kam der krieg.
sie zog mit ihrer tochter und den beiden enkelkindern aufs dorf.

nach 7jährigem dorfaufenthalt zog sie mit der tochter, ihren beiden enkelkindern und dem schwiegersohn, der aus dem krieg zurück war, wieder nach kassel. Sie teilten sich eine 3-zimmer-wohnung. Das war knapp. Knapp in jeder weise. Sie sass in ihrem zimmer, immer auf demselben stuhl, um ja niemandem auf die füsse zu treten.

eines tages griff sie zur flasche und war stinkbesoffen. Die absicht, die sie hatte, ich vermute es, war nicht aufgegangen.
Ihr schwiegersohn liess sie noch in dieser benommenheit in ein altenheim einweisen. Da wegetierte sie noch einige jahre und starb mit 87 jahren an einem sturz, an dem ihr leben endgültig zerbrach.

Heute wäre sie 129 jahre geworden. Ich würde ihr nur drei jahre in ihrem leben gewünscht haben, in dem sie so hätte leben können, wie wir es heute können. Und das sie diese drei jahre dazu hätte nutzen können, um einen beruf zu erlernen, der ihr freude, wenigstens freude, gemacht hätte.
Und ich höre sie sagen, ich hätte alles wieder so gemacht – wie bescheidene menschen das zu sagen pflegen und sich nicht vorstellen können, dass es im leben etwas anderes für sie hätte geben können.

Sie war meine grossmutter – emilie.
Ich habe eine tochter, die ich verloren habe, nach ihr und meiner zweiten grossmutter benannt – emilierose.
Emilierose wäre heute 38 jahre und sicher eine schöne, selbstbewusste und selbstbestimmte frau. Sie würde das leben ihrer urgrossmutter anschauen wie ein märchen, nicht, wie aus tausendundeinernacht, aber wie aus einer ganz anderen zeit. Und mir geht es ebenso und von tag zu tag mehr.

Ein tag des an- und hindenkens für mich – dieser tag, der tag meiner grossmutter emilie, an die ich mich zärtlich erinnere.

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