JÜDISCHER FRIEDHOF KASSEL II…
heute ist die totenruhe fast gewährleistet – keine arbeiter zugange – ein rotkehlchen begrüßt mich. elstern mußten ihr leben lassen – ihre totenruhe ist nur fragmentarisch gewährleistet – die federn zeugen davon. der wesentliche teil der vögel ist in den himmel entfleucht.
ich atme auf – für die verhältnisse üppiges grün. der nieselregen hält das grün und mich frisch. keine sonne – trübes feuchtes herbstwetter. es drückt mich nicht raus aus der szenerie sondern zieht mich mit hinein. die lebenden toten reden mit mir – weisen mir den weg. ich habe freude an ihnen und sie an mir. alte bekannte schmunzeln – ach du mal wieder. lange war ich nicht hier und vor ein paar wochen war ich im unteren teil des friedhofs. da sprach niemand mit mir. es war zu hell und grell und licht und schatten trieben ihr spiel. das blendete sie und mich.
ich werde den gang wiederholen.
heute also die aufrechten – im unteren teil liegen alle am boden versammelt – sie sind dem schlaf näher als dem lebenden und lassen sich von einem grünen bodendecker überwachsen. das ruhe sanft ist hier erfüllt.
die aufrechten zeigen große unterschiede – teils in der ornamentik – wenn ich das mal so nennen darf – und in der beschriftung. ich kann sie besser verstehen – die ornamentik – die beschriftung – und die toten. sie sind ja zeitlich auch näher als die flachliegenden.
der nieselregen macht den efeu frisch – lässt das grüne aufleuchten und auch das gras – das grade mal wieder gemäht ist…
ich denke gern an die zeit zurück da die friedhöfe noch nicht unter den vorschriften des kulterdenkmalschutz betreut wurden. da kroch ich im ohlsdorfer friedhof unter büschen auf allen vieren zu den kindergräbern. das war mühevoll. aber das morbide mir sehr zugetane ambiente der jüdischen friedhöfe der damaligen zeit entsprach eher den jüdischen ordnungsvorschriften.
auf dem bettenhäuser friedhof kann ich mühelos zwischen den grabsteinen gehen um meine fotos zu machen. auch komme ich besser mit den lebendigen toten in berührung. ich sitze zwischen den steinen – die hier am hang in terassenlage sich fügen – und bin von ihnen umrankt. wir reden lange und sind vom nieselregen ganz begeistert – das verbindet…
jüdischer friedhof kassel
88 Seiten auf fotopapier
paperback 17,90 EURO
ISBN 978-3-8391-8183-6
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jüdische friedhöfe geben anschauliche zeugnisse jüdischer geschichte, sind vergangenheit und zukunft gleichzeitig. israelische glaubengrundsätze, zu denen die unantastbarkeit der totenruhe gehört, gewähren den gräbern und grabmalen ein ewigkeitsrecht.
in die ewigkeit ‚wachsen’ können die jüdischen friedhöfe auf diese weise, sofern ihnen in der konfrontation mit verschiedenen geisteswelten nicht das zerstörerische ansinnen anderer widerfährt – was in vielen jahrhunderten der fall war (nicht nur während der hitlerzeit). die ethnologie sagt uns, dass die kultur eines volkes im verhalten zu seinen toten und dem tod am deutlichsten wird.
diese geschichte schwingt zwischen leben und tod, zwischen den gräbern auch. sie rührt an tiefere schichten, auch wo sie in leichteren tönen schwelgt.
Eine unglaubliche Fülle von beeindruckenden Eindrücken.
Ich liebe Friedhöfe in ihrer Unterschiedlichkeit.
dein wandern
übern friedhof
diese pracht
diese reiche ernte
von augen-blicken
ewigkeitsmomente
kleine monumente
gut der verhangene tag
erquickend das grün
erfrischend das leuchtende
braun und rot und gelb
verstehe nicht
warum manche
sich vor friedhöfen
gruseln
so voller leben
und vögel
und
Ja, es ist schön und trostreich, durch diese Gärten der Ruhe und des Todes zu gehen und sich mit dem bisherigen Leben verbunden zu sehen.
Danke für diese schöne Inspiration,
Brigitte