WINTERSONNENWENDE 2023…

UND DAS ERINNERN AN EINEN GUTEN FREUND – FERDINAND VON REITZENSTEIN…

da ich nicht mehr in den urwald komme und MEIN BAUM die letzten stufen seines dahingehens bewältigt – bleibt mir das erinnern. zur sonnenwende bin ich in den urwald gegangen und habe eine kerze angezündet und in eine niesche meines baumes gestellt.alles dahin – mein baum – und ich auch beinahe..

DIE BESONDERE TEESTUNDE BEI FERDINAND

28. november 2007

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ferdinand, dieser ganz besondere mensch ferdinand.
wir trinken tee. das gespräch geht über das leben und das sterben, über das glauben und das nichtglauben, den weihnachtsbaum, den er jedes jahr ganz besonders schmückt und für den die menschen bewundernd danken.

ferdinand beschreibt, dass er sich jetzt schon auf das besondere grün der tanne freut, wo doch draussen alles so dunkel und triste ist. er sagt, dass der baum ja eine blume im winter ist, der mit seinem grün nach oben leuchtet, das licht bringt – das weihnachtslicht. er schildert, wie er ihn mit farben schmückt, die ein besonderes licht ausstrahlen und wie er sich dann lange vor den baum setzt und mit den augen diesen farben nachgeht, an den zweigen rauf und runter und in sich hineinnimmt. immer wieder erwähnt er das licht. der baum in der kirche sei ihm viel zu sehr geschückt, man sähe das eigentliche nicht mehr.

ich empfinde seine begeisterung und wie sich das weihnachtsthema für ihn verdichtet in diesem in allen farben leuchtenden baum. es verdichtet sich auch das empfinden von geborgen- und aufgehobensein, dass ihn jemand behütet, an diesem tag für ihn. Ganz besonders an diesem tag. ostern, sagt er, hat ja immer ein anderes datum. aber weihnachten – darauf kann ich mich verlassen.
seine augen leuchten als er davon spricht, wie immer, wenn er die gelegenheit dazu bekommt und niemand dazwischenfährt mit fragen und wenn und aber. ferdinand ist im ansatz authistisch. ich entdecke in ihm gedanken und gefühle, die so niemand hegt und äussert…

…vieles kommt nicht an, wenn wir etwas erzählen. ferdinand erinnert dinge, die ich erzählte, die weit zurückliegen, obwohl es nicht den anschein hatte, dass er alles verstanden und gehört hat. ‚mit den augen hören und mit den ohren sehen’ ist schon eine kunst. ferdinand hat da sicher noch ganz andere ressourcen der aufnahme.

als ich mich für das gespräch bedanke und sage, dass ich so glücklich bin, dass er mich an seinen tiefen empfindungen hat teilnehmen lassen, sagt er ‚das freut mich’ und er kichert dabei mit dem ganzen körper. er senkt den kopf und zieht sich in sich selbst hinein. die freude ist auf beiden seiten.

….

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im atelier hat er bilder gehängt – ein teil mit sommerblumen. so nimmt er in den winter das helle, leuchtende. ich komme mir vor, wie in einem blumenladen. im winter ein bisschen sommer. er gleicht das für sich immer gut aus, damit er das, was ihn umgibt, aushalten kann. er geht unter menschen und in die welt hinein. doch er muss dann immer wieder zurück in sein selbsterschaffenes refugium, sein kleines paradies. alles fremde, laute, und gewalttätige schreckt ihn ab. er braucht das schöne um sich herum, sein zuhause, die kunst. da fühlt er sich wohl.

….. s. blog DIE BESONDERE TEESTUNDE BEI FERDINAND

eigentlich müßte es heißen: MIT Ferdinand

  1. ja so war er: besonders und wunderbar zugleich. er hat sich etwas kindliches bewahrt und lebte vollkommen in seiner eigenen welt.
    es waren auch für mich immer außergewöhnliche und bereichernde stunden in seinem haus.
    alex

 

 

 

 

 

 

 

 

 

 

 

 

 

 

 

 

 

 

 

 

 

 

 

 

 

IM TIEFEN GRUND…

 

 

 

 

 

 

 

im tiefen grund

´…der tiefe brunnen weiss es wohl,
einst aber wußten alle drum,
nun zuckt im kreis ein traum herum….´

und unter blättern
wo die tiefe beginnt
wo es ganz heimlich
und leise sinnt
klingen noch lieder
von altersher
singen und schwingen
zu uns her
entrücken uns
mit ihren klängen
halten uns fest
in ihren fängen

jetzt mußt du wissen
das zauberwort
das stumm dich trägt
an andern ort
wo träume kein traum sind
wo worte nicht zählen
wo alles nur schaum ist
du kannst es wählen
du bist entschlossen
du willst diesen traum
es wachsen dir sprossen
herum wie ein saum
da wird an dinge
dumpf gemahnt
die du als kind noch
hast geahnt

du willst zurück
in mutters schoss
das seerosenblatt
dient dir als floss
dann fällt ein lichtstrahl
dir ins gesicht
durchzuckend sagt es
das gibt es nicht
du kannst nicht gehen
aus der welt
erst wenn sie
ganz zusammen
fällt

rosadora

die ersten drei zeilen: hugo von hoffmannsthal
WELTGEHEIMNIS

MARGOT FRIEDLÄNDER …

undefinedm. f. bei einer lesung des Anne Frank tagebuches 12. june 2012  autor

 

am 5. november wurde margot friedländer 102 jahre. seit dem sie MENSCHgeworden ist, (wie sie selbst sagt), berichtet sie aus vergangenen tagen, in denen sie so unmenschliches von den nazis erfahren hat, insbesondere in schulen, damit junge menschen an ihrem schicksal erkennen, dass so etwas nie mehr passieren darf. dass das fast nicht genügt, erfahren wir in jüngster zeit. das muß für sie besonders schwer zu ertragen sein.            101 jahre, das ist mehr als ein ganzes leben. vielleicht geht es darum, verlorene zeit einzuholen. als sie erfuhr, das ihr bruder und ihre mutter von den nazis abgeholt worden sind, übermittelten ihr Nachbarn die nachricht und dass die mutter für sie noch hinterlassen hatte, sie SOLLE VERSUCHEN, IHR LEBEN ZU MACHEN.                        noch heute berichtet sie, dass sie sich ein lebenlang daran gehalten habe.                   viele  jüdische menschen, die den holocaust überstanden haben, erlangen ein hohes alter, so als würde ihnen verlorene zeit geschenkt.

ich bewundere sie sehr und weiß nicht recht, ob ich zu dem hohen alter gratulieren soll – gnade oder fluch. in diesem falle sicher die große chance, aufzuklären, damit gleiches nicht noch einmal passiert.

IDA APPLEBROOG …* 11. November 1929 † 22. Oktober 2023

NUN IST SIE GESTORBEN

die große außergewöhnliche künstlerin IDA APPLEBROOG. am 11. november wäre sie 94 jahre alt geworden. alt, das kann ich sagen. viele künstlerinnen sind erst in ihren späten jahren berühmt geworden. auf der d13 hat sie bleibende eindrücke hinterlassen. sie hat angestoßen, wachgerüttelt. mit YOU ARE THE PATIENT – I AM THE REAL PERSON  und dem kind mit der „schluppe“ auf dem kopf hat sie mich an meine eigene kindheit erinnert und michinnerlich sehr bewegt. sie hat sichtbar gemacht, was andere nicht auszusprechen wagen.

 

 

 

 

 

 

kind mit „schluppe“

zähnefletschend 
eine andere mit vampirzähnen – 
kind im unterhöschen  – 
und
  „pappa wein doch nicht“  
i caressed it
it shit in
es geht um vergewaltigung, 
um machtmissbrauch, 
um falschverstandenes, 
um falsches vertrauen und missbrauchtes. 
dargestellte szenen als „narrationsmodus“.

„die geschichten sind nicht als wahrheiten gedacht…“ 
ida appelbroog überlässt es den betrachterinnen und betrachtern, ob sie für sich eine botschaft erkennen können oder wollen…
 manch eine/r geht, das muss ich mir nicht anschaun, andere sitzen fest, wie an einem puzzle. 
endloser konsum und endlose gewalt machen ida appelbroog zornig. das macht, dass sie malen muss.
eine grossartige künstlerin, eine mutige dazu, die genau hinschaut.

NICHT ZUM LEICHTEN VERZEHR…
IDA APPLEBROOG
tagebucheintrag 1975

alles an die wand gepitscht – die allerintimsten eintragungen aus ihrem tagebuch. 
erstmal bin ich verwirrt, verunsichert, was das ganze soll. 
doch bei genauerem hinsehen tauchen unter diesen dramatischen ereignissen die „stillen momente“ auf. die zusammenhänge sind nicht zu erkennen, obwohl alles zusammenhängt… 
herausgenommene fetzen stellen einen bezug her.
 YUO ARE THE PATIENT – I AM THE REAL PERSON.

rosadora

documenta 13 –  fridericianum

 

 

EIN TAG MIT ROSAVITA IM MALATELIER…

EIN TAG MIT ROSAVITA IM MALATELIER…

eine rose – ich schaue sie an, fotografiere, beschreibe, besinge sie und vieles mehr – achja, und ich male sie. das ist neu – ganz neu und eine ganz neue erfahrung. es ist, als müsse ich sie in meinem inneren gebären, bevor ich auch nur ein zipfelchen eines blüten-blattes aufs malpapier hauchen kann – hinhauchen mit kreide. nein, ich lasse es unter meinen fingern entstehen. das gespür dafür muss ich erst noch entwickeln. kreide – in die poren des blattes hineinreiben, zart verreiben und sehr langsam, mit engelsgeduld. das ist nur der grund.
der grund einer rose. ob er hell ist oder dunkel, ob er sich mir öffnet oder verschlossen bleibt. fingerspitzengefühl brauche ich und ein ganz tiefes gefühl in mir, das sich zu der rose hinneigt, sich beinahe in eine rose verwandelt, um so viel von der rose zu verstehen, dass ich sie malen kann.
was sich mir öffnet – ich weiss es noch nicht… es ist anstrengend, wie verrückt anstrengend. schweissgebadet beuge ich mich über mein blatt, verteile verschiedene rottöne, die in die seele der rose sich einschleichen und wieder herausschauen sollen. die hellen stellen den dunklen gegenüber, damit tiefe entsteht. das leuchtende in den vordergrund.

ich trete zurück, schaue, prüfe, nichts sieht einer rose auch nur annähernd ähnlich, eher einem teppichmuster. geduld, rosadora. rosavita (auch eine rose…) haucht es mir immer wieder zu. dranbleiben – es wird schon.
ich fliesse dahin mit dem rot, und mit dem röterwerden der rose beginne ich zu brennen. es ist, als sässe ich mitten drin im feuer und es hört und hört nicht auf zu lodern.

abkühlen und mittagessen. emilio und monika tauen auf beim gespräch, rosavita und ich sind in gutem einvernehmen. noch ein käffele und dann geht’s weiter.
mich aufs neue ins feuer oder die nochnichtrose begeben. rosavita zeigt, hier heller, da dunkler, damit das helle leuchtet und das dunkle in die tiefe geht (’…da gehts abbe’ zeigt sie mit der hand), damit die rose zur rose wird, damit sie lebendig wird. ohne ihre hilfe hätte ich längst aufgegeben.

es ist mein erstes werk und ich komme an meine grenzen, die grenzen meiner geduld. ich möchte das bild möglichst aus dem ärmel schütteln. ‘nichts da’, sagt rosavita. ‘jetzt geht’s erst richtig los. zeigs mir mal’. ich bleibe dran. es beginnt spass zu machen. ich gehe noch einmal ganz willig zu meiner rose und beschwöre sie, sie möge doch nun endlich ihr rosenhaftes zeigen. inzwischen verwechsele ich die kreidestifte, krapplack und blutrot und hellrot und grundierrot. die stifte sind nicht mehr stifte, sondern bestenfalls stummelchen oder bröseln ganz dahin. vor lauter rot bin ich ganz blind.

es ist eine knochenarbeit. 8 stunden an einem stück (nur diesen tag – der nächste kommt ja noch…) übers bild gebückt und auf den beinen stehend.
in der zwischenzeit brenne ich nicht nur, sondern sehe auch aus wie eine indianerin – rot überall verteilt, hände, arme, gesicht und haar, das t-shirt ungeachtet, und füsse. auf dem laminatboden spuren von mir, wohin auch immer ich gegangen bin. auch das sofa zeigt rotes. leicht hatte ich meine füsse an mich und damit auf die sitzfläche gezogen. naja.

rosadora

FRIEDENSNOBELPREIS…

FÜR IRANERIN NARGES MOHAMMADI…

Narges Mohammadi (Archivbild: undatiert)

der FRIEDENSNOBELPREIS 2023 geht an die iranische frauenrechtlerin NARGES MOHAMMADI. die 51-jährige ist eine der bekanntesten menschenrechtsaktivistinnen im iran…

Die in Teheran inhaftierte 51-Jährige bekommt den prestigeträchtigen Preis „für ihren Kampf gegen die Unterdrückung der Frauen im Iran und ihren Kampf für die Förderung der Menschenrechte und der Freiheit für alle…
sie sagt: sicherlich wird mich der friedensnobelpreis… noch belastbarer, entschlossener, hoffnungsvoller und enthusiastischer machen…
 
GRATULATION UND LOB
die verleihung des preises an narges mohammadi stößt international auf anerkennung und lob. die wahl der menschenrechtlerin ist eine wichtige erinnerung daran, dass die rechte von frauen und mädchen im iran … stark zurückgedrängt werden.
in anlehnung an: tagesschau

DER JUNGE MORGEN – FÜR ROSMARIE… 2006

 

 

 

 

 

 

 

rosadora

 

DER JUNGE MORGEN…

‚da warf sich der ganze junge morgen ans haus, schmiss sich mit unglaublicher überzeugungskraft zwischen hauptstrassen, kantonstrassen, neben-strassen, quartierstrassen, überflutete die stadt mit toller wucht, rollte wonne aus, warf wolllüstige wellen, kraulte lichtkringel, lichtspiralen, liess reine verliebtheit durchblicken, setzte der stadt eine goldene, funkenbesetzte krone auf.’
du musst es auf einen atem nehmen und lesen, als wärest du selber der ‚junge morgen’, damit dir die luft ausbleibt, damit dir die vorstellung des werfens und schmeissens und überflutens wie aus der puste gekommen gelingt.
der schweizer peter weber, für sein werk ‚der wettermachen’ bewundert und gerühmt, reizt mich immer wieder, aus seinem buch heraus laut zu lesen, damit es schwingt und klingt und mich in den tag laufen lässt. etwas von seinem schwung, seiner wortakrobatik, seinen begeis-ternden, irritierenden und fantastischen bildern in mich hineinnehmen, damit der tag abgeschliffen wird, sich nicht wälzt, sondern hüpft – so angespornt und auch in freude. durchkreuzt von den ‚komischen vögeln’, ertappt in seinen trägen daseinsformen, verhüllt in nicht zu überhörende, nicht zu erklärende larmoyanz.
heute gelingt das nicht ohne weiteres. der nicht mehr ganz junge morgen ist noch immer nicht ausgewickelt aus seinem nebeltuch, diesem fetzen aus bleierner schwere und depression. es wickelt alles ein, nicht nur landschaft und häuser. die menschen in ihren guten vorhaben. sie gelingen ihnen schwer, werden zunichte gemacht. die sonne hat nichts anspringendes, stichelt nur kleine löcher in das gewebe, die sich wie selbstverständlich wieder zusammenziehen.
vielleicht rollt der tag noch zu mir hin in seiner nackten form, kann er den nebelfetzen noch durchtrennen, sich hindurchzwingen und mir sagen, was er von mir will und ich von ihm. verliebtheit…

rosadora