LOUISE BOURGEOIS..

Ach…

siehe
´KLEINE SACHEN AUS BROT…´
unter der rubrik KUNST

LOUISE BOURGEOIS
sie schien mir unsterblich. mit ihren 98 jahren hatte sie die grenze zwischen leben und tod verwischt.
wären die nachrichten von ihrem tod nicht erschienen, gäbe es zwischen ihrem leben und ihrem sterben keine trennung.
ich verneige mich vor dieser grossen künstlerin und frau. sie war und ist für mich die eindrücklichste.
aus ihren allerprivatesten eindrücken von leben – ihres lebens – und tod schuf sie ihr überzeugendes werk.

arthur miller würdigte ihre
´EHRLICHKEIT GEGENÜBER IHREN TRÄUMEN, IHRER ALLERPRIVATESTEN VISION. DARIN LIEGT EINE SCHÖNHEIT DER INTENSITÄT, DIE SICH IHRER KUNST MITTEILT.´

sie war auf einigen documenten hier in kassel vertreten.
in bregenz war das ganze museum angefüllt mit ihren bildern und kunstwerken.
ihr wirken war so verschieden von denen anderer künstlerinnen und künstler.
sie brachten und bringen mich schier ´aus dem häuschen´,
so, wie sie es ebenso gewesen sein muss, als sie ihre kunstwelten schuf.

ein sehr schöner artikel erschien in der FAZ.NET

www.faz.net/…/ Doc~E2D7112F3E841439C9CAAA65C68BA06..

meine persönlichen eindrücke kann ich ob der betroffenheit jetzt nicht schildern.
vielleicht später.

‘KLEINE SACHEN AUS BROT…’ siehe unter KUNST 22.03.06

‚da hab ich angefangen, aus brot kleine sachen zu formen.’

LOUISE BOURGEOIS

bei den ‚kleinen sachen’ ist sie nicht geblieben. sie hat sich herausgewickelt aus dem pausenlosen reden des vaters, der sie nicht nur mit seinen worten verletzte. sie lenkte sich ab und formte diese ‚kleinen sachen aus brot’.
brot, dieses wichtig nahrungsmittel, wurde zu ihrem ersten baustoff.
aus ‚stoff’ waren auch die wandteppiche, die sie mit ihrer mutter ausbesserte. da war sie acht jahre alt.

bis zum heutigen tage verwendet sie das material ‚stoff’ immer mal wieder, näht ganze figuren mit der hand. handarbeit ist vieles bei ihr. von weich bis ganz hart sind die materialien, von stift und farben bis zu hammer und meisel. mit dem ‚zwingenden bedürfnis zu arbeiten’ dehnt sie ihr lebenswerk. die magische kraft, die ihrer kindheit noch immer innewohnt, gibt ihr genug anlass, immer weiter zu arbeiten, immer mehr ihr unterbewusstsein zu durchforschen und zu manipulieren, wie sie es nennt.

auffallend die immer grösser werdenden spinnen. in bilbao erlangt sie eine
höhe von 22 metern….

in bregenz ‚louise bourgeois drawings and sculpture ’ waren sie 7 meter hoch. auffallend die ‚zellen’, die im schutze der spinnen und ganz von ihnen umgeben ihren ‚raum’ haben.

die spinne – sinnbild für das muttertier, für das prinzip mutter, an deren stelle sie ihre mutter setzt, zu der sie eine enge und gute beziehung hatte, wie sie sagt – lässt unbedingt eigene interpretationen zu. so will sie es, die künstlerin, auch haben.
‚schau selbst, ich gebe keine erklärungen.’
ich sehe auch die verbindung zu ihr – die spinne ist nachtaktiv –louise bourgeois, deren ‘insomnia drawings’ in schlaflosennächten entstanden, kann man eine gewisse nächtliche regsamkeit nicht absprechen.

es ist mir beim betrachten und schauen von etwas inneres bedürfnis, mir selbst ein bild zu machen. zu meinem eigenen erfahrungshintergrund etwas neu erfahrenes hinzuzufügen, das nur ich so einbinden kann, das nur mir gehört. alles erklärte, alles fremdangeeignete hat für mich keinen wirklichen wert. ich höre mir gerne andere meinungen an, aber nur, wenn es die eigenen sind, nichts nachgeplappert wurde.

die spinne wird oft als symbol für die große mutter und als weberin des schicksals dargestellt. “alle mondgöttinnen sind spinnerinnen und weberinnen des schicksals, und die weltenspinne, die große spinne oder der große weber ist auch der schöpfer, der aus seiner eigenen substanz den lebensfaden spinnt, alle menschen über das band der nabelschnur an sich bindet und sie an das gewebe des modells der welt anbindet oder in dieses hinein verwebt.”

louise bourgeois sieht ihre mutter als diese weberin und spinnerin in ihrer tätigkeit des teppichausbesserns. sie flickte damit auch ihr schicksal in bestimmter weise zusammen, band sie durch die nabelschnur an sich, liess sie nicht los – ein leben lang. erst spät verwob sich das schicksal ihres künstlerischen tuns mit der welt. das, was bindet, hindert auch etwas anderes zu tun. aber warum hätte sie das tun sollen.

internationales interesse erweckte sie mit der “precious liquids”, dem begehbaren fass, auf der documenta in kassel 1992.

es zog mich in ihre ‚zelle’, die so einen ganz eigenen raum im trubel der ausstellung barg. immerhin war sie eine der wenigen frauen, denen man beachtung schenkte auf dieser weltausstellung.

auch auf der documenta XI – 2002 hatte sie, neben ihren ‘insomnia drawings’ und anderen werken, verschiedene zellen aufgestellt.

das rot erinnert an einen kardinal, an die rote göttin, an blut, also leben und tod. an eine, die von ihrer familie zurückgeblieben ist – ihr ganz nah – im leben und im sterben.

sie wiederholt ihre themen immer wieder und sublimiert somit ihr unbewusstes – eine der wenigen aussagen über ihr tun. ob lust und angst, die im unbewussten schlummern, immer so genau zu deuten sind, weiss ich nicht. vielleicht ist die nichtangst vor der spinne und das umgehen mit ihr auch noch eine gewisse zu bewältigende restangst – die angst vor der mutter, oder auch nur das unbehagen, das so viel nähe auslösen muss.

die grossen tiere wirken auf mich durch ihre grösse weniger beängstigend als die kleinen krabbeltiere, die so klein, wie sie oft sind, überall hinkriechen können, sich in öffnungen verstecken und dadurch unheimlich sind, weil ich ihre gegenwart nicht erkennen kann.
vor spinnen hatte ich noch nie angst, aber das birgt eine gewisse gefahr. auf madagaskar kletterte ich in einen verlies, wo mich aufgehängte riesenspinnen zum fotografieren reizten. sie gönnten mir diese kurze weile. dabei hatte ich das risiko nicht erkannt, in dem ich mich befand. es waren riesige giftspinnen.

louise bourgeois spinnen haben wenig lebendiges. sie sind eher wie architektonische bauwerke. ich stelle mich in ihr innerstes, um nachzuspüren, was es mit mir macht. ich muss zugeben, sie hielten mich fest. und zunächst war das kein unangenehmes gefühl. aber meine beziehung zu dem spinnentier war nicht so persönlich, dass ich mich nicht hätte befreien können
nach neugierigem und aushaltbarem erleben.

in bregenz überliess man ihr das ganze museum – 4 etagen. ich muss sagen, das war beeindruckend. einer über neunzigjährigen frau – wohlbemerkt ‚frau’- ein ganzes museum!!! es ‚ent – wickelt’ sich etwas in der kunstszene.

nach einführungen in ihre ‚insomnia drawings’ – einem vortrag von elisabeth pronfen – fand eine performence mit musikalischer untermalung im gebäude statt. mein erleben schlug purzelbäume, was sich darin ausdrückte, dass ich zwischen all dem auf der erde hockend und herumschleichend fotografierte, um einen kleinen eindruck im bild festzuhalten.
das werk so belebt, so von menschen umgeben zu erleben, war ein ereignis.

die vielseitigkeit des ausdruck, das unermüdliche schaffen, es begeistert mich und bringt mich zum nachdenken in einem. was muss sie noch alles verarbeiten. der satz, dass es in ihrer welt keine unschuld, keine kindheit, keine unverfälschten träume gibt, ist schon zu viel auslegung, als dass ich dieses bedeutende lebenswerk nur noch subjektiv betrachten und erfassen könnte.

‚ich habe angst vor allem, einfach vor allem’ zeigt das tiefe verletztsein louise bourgeois’ – und das durch ein langes leben, welches nun schon 94 jahre dauert und ihr keine ruhe lässt. arbeiten zu müssen und nicht aufhören zu können – fluch oder gnade. ich bin neugierig auf alles, was sie noch hervorbringt…

Der Beitrag wurde am Mittwoch 22. März 2006 um 14:47 veröffentlicht und wurde unter Alle Artikel, K U N S T abgelegt. Du kannst die Kommentare zu diesen Eintrag durch den RSS 2.0 Feed verfolgen. Kommentare sind derzeit geschlossen, aber Du kannst einen Trackback auf deiner Seite einrichten. Beitrag bearbeiten.

GEBURTSTAG IM MAI…

geburtstag im mai
flieder verführt mich
zum schwur
ich bin ein atem
im mai

die blauen adernflüsse
wer nimmt ihre mündung wahr
welchen anteil
haben die sterne
an meinem traum

im maiglöckchenraum
dem störrischen stier geweiht

der widerspruch
steckt mir als angel
im blut

ROSE UND SCHMETTERLING…

VERGISSMEINNICHT_DSC_4615

wenn das weisse morgenlächeln
über meinem kelche hängt,
und der frühluft leises fächeln
sich in meinem haar verfängt,
dass mein grüner körperstengel
sehnsuchtsschwer sich überneigt,
kommt ein schöner falterengel,
der mit mir zum himmel steigt.

meine duftige gewandung
wandelt er zum flügelkleid,
über tag und mittagsbrandung
schweben wir durch lose zeit.
und wir schaukeln, und wir strahlen
unsre seelen in die luft,
füllen alle blütenschalen:
er mit farbe, ich mit duft.

frühes gedicht (ca. 1943)

ZUM GEBURTSTAG VON ROSE AUSLÄNDER
geb. 11. mai 1901

ICH BIN JETZT ALT…

P1130416_SOFA_

ich bin jetzt alt.
du doch nicht.
darf ich nicht?
du wirkst nicht alt.
ist alt ein schimpfwort?
niemand will doch alt sein.
jetzt haben wirs. ich bin so alt, wie ich alt sein will, und jetzt will ich eben alt sein.
aber du siehst nicht so alt aus, wie dein jahrgang ist.
warum nagelt ihr andern uns immer mit jahreszahlen fest? tun wir das mit euch? sagen wir immer: ist das richtig, was du tust, für deine 42 jahre oder deine 37 1/2 oder deine noch nicht 20? ihr aber wisst genau, was wir tun sollen mit unsern über 70, über 80, nämlich vorsichtig sein, sich endlich im altersheim anmelden, nichts riskieren, pläne fallen lassen, da überflüssig.
offenbar kennen wir uns doch nicht genügend aus, deshalb haben die vereinten nationen 1999 zum jahr der älteren menschen erklärt. nicht der alten menschen, schande. um uns zu schonen? ich bin ein alter mensch, ich habe viele jahre gelebt, und ich habe keine ahnung, wie viel zeit ich noch auf diesem planeten verbringen werde.
macht dir das nicht angst?
weisst du es, wieviele jahre dir noch zum leben bleiben? nach der statistik natürlich viel mehr zeit als mir. aber dich beruhigt mein alter deinetwegen, es bedroht dich, du willst wissen, wie man damit umgeht, wenn grenzen sich nähern?
vielleicht ja. aber warum reagierst du so störrisch – das warst du schon immer – wenn ich feststelle, dass du jünger aussiehst, als du bist?
ja, ich weiss, du machst mir ein kompliment, willst mich trösten.
irgendetwas hast du doch angestellt? du bist heiter, so möchte ich auch alt werden..
aha, also ein vorbild sein? das passt mir nicht, will auch keine rezepte geben, so zum täglichen gebrauch.
keine auskünfte?
nein, ich mag nicht. will nicht mehr nützlich sein, mag keine informationen durchgeben über altersbefindlichkeiten.
jetzt kokettierst du aber.
zugegeben, es verändert sich manches im alter – wie hoffentlich auch im früheren leben sich stets etwas verändern müsste.
gut, ich werde einiges erzählen, das ärgerliche mit eingeschlossen.

aus:
LAURE WYSS
SCHUHWERK IM KOPF
texte, die für eine zeitungskolumne geschrieben, im radio gelesen oder in einer literarischen anthologie veröffentlicht wurden.

99. INTERNATIONALER FRAUENTAG 2010

wir denken an all die frauen, die ihre energien in den kampf um die frauenrechte eingesetzt haben.
in vielen anderen ländern ist heute FEIERTAG. vielleicht sind unsere nöte, verglichen mit denen anderer länder, nicht so lebensbedrohend und unser engagement dementsprechend niedrig. dass wir diesen tag nicht zum feiertag erklären, scheint daran gemessen werden zu können.

hier also kein weiteres lamento, sondern ein hindenken zu CLARA ZETKIN und all den anderen wunderbaren frauen und ein grosses dankeschön und die aufmunterung zum weitermachen. es ist noch lange nicht alles erreicht, was ein friedvolles miteinander und den frieden sichern.
es darf getanzt werden…

JEDER KLEINE AUGENBLICK…

BRIGITTE GEB._03.03.09 001

jeder kleine augenblick ist ein vergnügen
und ein vergnügen ist ein vergnügen
oh ja ein vergnügen
ist ein vermögen zum begnügen

aus
gertrude stein
für minuten

es erinnert mich an – rose ist eine rose ist eine rose,
ist eine rose…
das ist auch von gertrude, der sehr eigenwilligen,
die von sich sagte, ich bin ein genie.
sie unterhielt in paris einen salon mit ihrer ehefrau alice b.
auch ernest hemingway und f. scott fitzgerald tummelten
sich bei ihr, sowie ganze heerscharen amerikanischer
kunsttouristen und andere neugierige.
man nannte sie ´mama of dada`
1874 pennsylvania- 1946 paris

UNSTERBLICHKEIT…

RAW_IN_JPG_218
bild: KEERRY JAMES MARSHALL

bei einer zigeunerin hatte ich einst ein tuch erworben, das mich unsichtbar macht. ich habe ihr dafür ein viertel meiner unsterblichen seele verkauft. dreiviertel unsterblichkeit genügt mir. ich weiss nicht, wie die allmacht es verrechnen wird. hoffentlich darf ich drüben ein viertel weniger leiden. auf erden ist eine ganze seele unerträglich. ich war glücklich, wenigstens ein viertel loszwerden und mich ungesehen durch die welt bewegen zu fürfen. auf diese weise erfahre ich die wahre gesinnung meiner freunde. früher oder später komme ich darauf, dass der eine oder andere alles andere als ein freund ist. aber wenn man nur dreiviertel seele hat, tut es doch ein viertel weniger weh.

rose ausländer
aus
visum

TAT-SACHE…

10.09.07_zofia kulik_450_gr. kamera_0119

seit einiger zeit habe ich ein sonderbares talent; ich kann mit dem kopf durch die wand gehen. es ist kein kunststück. nur ein gewisser körperlicher (oder seelischer?) zustand, der sich manchmal einstellt, je nachdem wie ich eingestellt bin. ich kann nichts näheres darüber aussagen. wenn es so weit ist spüre ich, dass ich es tun kann, ja, dass ichs tun muss. es gibt mir ein gefühl der kraft und freiheit. ich zerbreche mir nicht den kopf darüber, warum und wozu ich durch die wand gehen soll. ich gehe einfach, hin und zurück. die tat-sache genügt mir.

rose ausländer
ohne visum
sassafras verlag 1974

W U N D E R . . .

DIE GESCHICHTE DER FRAUEN_450

WAS SIND SCHON WUNDER –
GEMESSEN AM LEBEN

aus
dietlind kinzelmann
die geschichte der frauen
christel göttert verlag

´seit jahr und tag, kein mensch weiss, wie lange schon, standen in den wäldern und feldern frauen herum. sie hatten prächtige farben und formen, wie kostbare schätze aus alten zeiten. es schien, als seien sie vergessen oder abgestellt worden. vielleicht waren sie einfach übergeblieben aus fernen jahren, von denen wir nichts mehr wissen. fast hätte man meinen können, sie stünden seit eh und jeh da, als wären sie niemals gekommen und würden niemals gehen. wie verloschene gestalten ohne sehnsucht, ohne glück und ohne trauer. irgendwelche umstände mussten den frauen das leben geraubt haben. seither sangen und klagten sie nicht mehr. sie blieben stumm……´

ein auszug aus
der geschichte der frauen -la storia delle donne
von dietlind kinzelmann