WETTER UND POESIE…

ETEL ADNAN aus einem gespräch mit klaudia ruschkowski

ETEL ADNAN_GRIECHENLAND_II_P1610399ich halte das wetter für ein höchst poetisches element.
wir schwimmen im wetter, wetter ist die luft, die uns umgibt. wir befinden uns im wetter, als wären wir mitten in einem see, genau wie ein fisch im wasser. wie ein flugzeug oder ein vogel in der luft. das wetter beeinflußt uns, es gibt immer irgendein wetter. es ist zu heiß, zu kalt, nicht warm genug, nicht kalt genug, gutes wetter, schlechtes wetter – selbst wenn wir das wetter nicht spüren, ist es doch da. wir spüren es nicht, weil es sich um einen bestimmten zustand handelt. ich liebe das wetter…“

aus JAHRESZEITEN

GRIECHENLAND KOMMT ZU HILFE…

ETEL ADNAN_GRIECHENLAND_I_P1610398„Es gibt Schriften, die sich der Wahrnehmung entziehen. Die trianguläre Gestalt der Sprache wirkt auf die Vorstellung: ein Ansturm an Sein. Druck wirkt auf die Zeit, beugt sie. Die Beugung überträgt sich auf die Seele, die versucht, dem Abgrund zu entkommen, während ihr davor graut, noch tiefer zu fallen. GRIECHENLAND KOMMT ZU HILFE.   Türen schleifen und verhüten die Rückkehr der Zukunft.“

E T E L _ A D N A N …

Etel Adnan,
Schriftstellerin und Malerin, geboren 24.02.1925 in Beirut, Libanon
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ZUM 92. GEBURTSTAG ALLES GUTE…

Auf der dOCUMENTA (13) 2012 war sie eingeladen, ihre Bilder und Zeichnungen zu zeigen, Geheimtipp und Shooting Star zugleich.
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Etel Adnan, die am 24. Februar 2017 92 Jahre alt wird, ist eine der wichtigsten literarischen Stimmen unserer Welt. Ebenso nomadisch wie kosmopolitisch ist sie durch ihr Leben gezogen: zwischen Ost und West, alten und neuen Sprachen, Poesie, Literatur und Malerei: eine Reise voller Entdeckungen, konfrontiert mit immer neuen Kriegen, voll der Erinnerungen. In Gespräche mit meiner Seele kulminiert das, was sich durch Etel Adnans gesamtes Schreiben zieht: ein poetisch-philosophischer innerer Dialog.
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Wie spricht man mit der eigenen Seele? Die Seele, sagt Etel Adnan, ist ein eigenes Wesen, an das man vielleicht nie gedacht hat, das sich aber auf einmal bemerkbar macht: ‚Ich kann nicht anders, als mit dieser Seele zu sprechen, als wäre sie eine lebenslange Gefährtin. Wir waren eins, und wir waren verschieden. Wie begegneten wir einander? Was taten wir einander an?‘
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Etel Adnan hat sich zeitlebens mit den elementaren Fragen des Lebens auseinandergesetzt. Ihrer Wahrnehmung entgehen weder Momente des Alltags, Form und Funktion von Gegenständen, die Natur in ihren zahllosen Veränderungen, noch politische Konstellationen und Mächte, die skrupellos in unser Leben eingreifen. Sie versteht die Poesie als Mittel, Gegenwart sichtbar zu machen.

 

HILDE DOMIN zum gedenken…

22.02.2006
22.02.2017

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da ist es gerissen ‚das goldene seil’ – ‚da wird schon der name gerufen’ – ‚hinweg aus der….welt, …unter die alles vermengende erde.’
‚ich komme wieder’, hatte sie noch gesagt, ‚wenn ich hundert bin’. die worte sind noch in meinem ohr. ich habe mir nicht träumen lassen, dass sie das nicht wahr machen würde, diese kleine resolute person mit den grossen worten. da war sie neunzig. kraftvoll formte sie silbe für silbe, ihr sprechen hatte einen harten ton.
der ‚böse löffel’ des ‚vergessens’ fiel nun – fast unerwartet – in die ‚schale aus schatten’. unerwartet, weil fast ein hauch ewigkeit mit der person hilde domin verbunden ist. sie war schon zu lebzeiten eine legende. da will man nicht wahrhaben, dass sie eines tage nur noch legende sein wird.

‚…die pause ist vorbei.’ 
‚stehenbleiben und sich umdrehen hilft nicht. es muss gegangen sein’. dieser letzte weg von den ‚verlierbaren lebenden’ zu den ‚unverlierbaren toten.’
 viele ihrer lebenden hatte sie schon lange verloren auf unterschiedlichste weise, aber letztlich doch die meisten durch das grosse grauen, das in die welt gekommen war. da ist es ein trost, sie bei den toten zu wissen, zu denen sie nun gehen wird, zu den unverlierbaren. 
auch von sich muss sie sich nun trennen. ‚ich muss mich von mir trennen. ich werde weggeführt von mir’. sie hat den weg lange vorher angedacht, obwohl sie hundert werden wollte. die verlängerung der lebenszeit für erfahrenes leid, für ihr genommene möglichkeiten.
 schon lange ‚immer wieder die schwarzen vögel über mich wegfliegend. diese frühaufsteher… und des abends… ein verspäteter, der in meinem haar übernachtet. ’
immer sehen wir sie, diese schwarzen vögel, immer sehen wir sie, wie sie über und um uns kreisen. ‚immer’ ihnen gegenüber ‚die geste der tapferkeit.’ obwohl wir sie, diese schwarzen verkünder, nur angsvoll ertragen und lieber haben, wenn sie andernorts kreisen – trotz der gewissheit ihrer existenz und das gerne vergessend.
 doch einmal werden ‚wir hingelegt und alles für immer erinnern – oder vergessen.’ diese unsicherheit, der wir nicht vorgreifen, der wir uns still ergeben und auf erlösung hoffen in dem erkennen: 
‚dein tod oder meiner – kostbarster unterricht: so hell, so deutlich, dass es gleich dunkel wird.’

‚am ende ist das wort,
immer
am ende
das wort’.
ich war hier. 
ich gehe vorüber
 ohne spur.
 die ulmen am weg 
winken mir zu wie ich komme,
 grün blau goldener gruss,
 und vergessen mich, 
eh ich vorbei bin.
ich gehe vorüber – aber ich lasse vielleicht 
den kleinen ton meiner stimme,
 mein lachen und meine tränen 
und auch den gruss der bäume im abend 
auf einem stückchen papier.

ROSEN für ANNA ELISABETH …

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heute wäre sie, ANNA ELISABETH –  99 geworden, wenn, ja – wenn …

das weiberkränzchen wäre eine gute idee, wenn, ja – wenn…

vor gut 10 jahren wollte sie noch 106 werden. als sie dann auf die neunzig zuging, befand sie, ach es reicht eigentlich. aber sicher war sie sich nicht. wenn wir im garten saßen und die sonne schien, sah alles wieder anders aus.

ANNA ELISABETH_ IM KERZENLICHT_15.12.07_die wehwehchen hielt sie mit tabletten in schach. von ihrem krebs wußte niemand etwas – auch sie nicht. seitdem sie allein lebte ging es ihr einfach gut – wie man so sagt. um das zu zeigen, nahm sie, ging sie die treppe vom garten ins wohnzimmer hoch, gleich zwei stufen auf einmal. als ich sagte, dass ich mich heute nicht mehr trauen würde, mein wohnzimmer zu streichen, sagte sie – ich helfe dir. bis zuletzt gab es nichts, was sie sich nicht mehr zutraute. als ihr konrad noch lebte, fuhr sie ihn bis nach loekken, obwohl sie sonst nie auto fuhr und erzählte dann – im elbtunnel – ich immer vorne weg und die anderen alle hinter mir her…
das bild machte ich ihr nicht kaputt. bis zuletzt sorgte sie für sich und haus und garten – mit wenigen ausnahmen. die hilfe von enkel mirko nahm sie gern an. sie liebte, wenn man sie besuchte und zwitscherte und trällerte ihre lieder ganz so, als sei die welt in ordnung.
gern würde ich noch einmal mit ihr im garten sitzen, gern würde ich noch einmal ihr rosadorchen hören – doch das leben ist kein wunschkonzert…

HERLICHEN GLÜCKWUNSCH ANNA ELISABETH

von deiner tochter rosadora

EIN LUSTIGES WEIBERKRÄNZLEIN…

2008

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brigitte 73, anna-elisabeth 88, rosadora 67…

anna elisabeth will 106 werden, rosadora, ihre tochter, sagt, sie überlebt mich, und brigitte, rosadoras freundin, will überhaupt nicht sterben.  ein lustiges weiberkränzlein – wenigstens manchmal

…….

brigitte wird sich mit 120 überlegen, ob sie noch weiterleben will, anna-elisabeth hätte nach eigenem wunsch noch 18 jahre zu leben, rosadora, legt sich nicht fest, obwohl sie auch mal 103 werden wollte…

… WO ICH BIN, DIE WELT…

CLARA ELBPHILHARMONIE JAN. 2017_DSC_2192elbphilharmonie – eröffnung – foto: clara tuschick

 

stillhalten. sich um nichts bemühen.
nicht um reisen und ruhm,
nicht um liebe und geld.
es kommt, was soll.
zu frühen ruhm soll man fürchten.
in unserer welt ist nichts
ohne preis des verzichts zu haben.
die lange entbehrten sind entbehrliche gaben.

ist man alt,
schätzt man hoch, was man hat:
einen sonnenmorgen im frühen april.
an der birke das erste knospende blatt.
und die freiheit zu sagen: ich will – ich will nicht.
niemand kann mich zwingen,
um geld und ruhm mein lied zu singen,
wenn ich beides nicht brauche.
ich kann drauf verzichten, dass man mich kennt.
ich kann heimlich dichten.
und immer
ist da, wo ich bin, die welt.

eva strittmatter

ZIGEUNERN…

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bei einer zigeunerin hatte ich einst ein tuch erworben, das mich unsichtbar macht. ich habe ihr dafür ein viertel meiner unsterblichen seele verkauft. dreiviertel unsterblichkeit genügt mir. ich weiss nicht, wie die allmacht es verrechnen wird. hoffentlich darf ich drüben ein viertel weniger leiden. auf erden ist eine ganze seele unerträglich. ich war glücklich, wenigstens ein viertel loszwerden und mich ungesehen durch die welt bewegen zu fürfen. auf diese weise erfahre ich die wahre gesinnung meiner freunde. früher oder später komme ich darauf, dass der eine oder andere alles andere als ein freund ist. aber wenn man nur dreiviertel seele hat, tut es doch ein viertel weniger weh.
rose ausländer
  –  aus 
visum

EINE MELODIE…

„es sind die pausen, die unserem leben den rhythmus geben und eine melodie daraus machen!“
ROSA_ELFBUCHEN 26_bearbeitet-2diese anregung erhielt ich heute früh vom naturheilzentrum bottrop. die rundschreiben erhalte ich seit vielen jahren, da wollte ich hilfe für meinen fastblinden vater. der ist schon seit fast 15 jahren tot.

an ALICE SOMMER – HERZ – konzertpianistin – die 110 jahre alt wurde und die älteste theresienstadtüberlebende war möchte ich heute erinnern. im naturheilzentrum rundbrief wird sie erwähnt und ALTWERDEN erhält eine besondere bedeutung. mit 110 spielte sie noch prachtvoll klavier und tauchte damit ab in eine welt, die sie die normale welt und das, was sie erlebt hat, vergessen ließ. für sie war leben ein besonderes und ein schönes, wie sie betont und ein lebenswertes – tag für tag.