DIE HÄNDE DER BÄUME…

Herbstwinde wehen durch das Gelände,

Die Hände der Bäume werden so schwach.

Wir sehen den gleitenden Blättern nach,

Des Sommers singende Häuser vergehen,

Wir schauen durch fallende Wände.



Auf leeren Wegen die Winde klagen,

Viel fortgetragen haben die Wege.

Und wo ich auch meine Wange hinlege,

Ich pflege nirgends der Ruhe mehr,

Wie der Baum ohne Blatt ist mein Tag luftleer. 


 

Max Dauthendey . 1867 – 1918



HERBSTGEDANKEN…

Herbstgedanken



Da ich die grüne Pracht der Bäume zärtlich liebe

Und folglich mich anjetzt im Herbst bei ihrem Fall,

Bei der Entblätterung der Wipfel überall

Und der Vernichtigung des Laubes recht betrübe,

So deucht mir doch, ob hör ich sie im Fallen

Zu meinem Troste dies mit sanftem Lispeln lallen:

„Du siehest uns von dem geliebten Baum

Nicht, um denselben zu entkleiden,

Noch um ihn nackt und bloß zu lassen, scheiden;

Ach nein, wir machen frisch und schönern Blättern Raum.“

Barthold Hinrich Brockes (1680-1747)

W U N D E R . . .

W U N D E R . . .
eva strittmatter



mir geschehen
ist heut früh der kranichschrei.
all so lernte ich zu sehen,
dass das leben gnädig sei.
und das ist nur eins von vielen
wundern, die mir warn und werden,
von geheimnissen, die spielen
über, unter, auf der erden.
ja, ich danke einer holden
frau mein gütiges geschick.
innen bin ich schon ganz golden
von gewissheit und von glück.

DES LEBENS SINN…

Ich freu mich, dass der Mond am Himmel steht.
Und dass die Sonne täglich neu aufgeht.
Dass Herbst dem Sommer folgt und Lenz dem Winter,
Gefällt mir wohl. Da steckt ein Sinn dahinter.
Wenn auch die Neunmalklugen ihn nicht verstehn!
Ich freue mich. Dass ist des Lebens Sinn.
Ich freue mich vor allem, dass ich bin.

aus
mascha kaleko
sozusagen grundlos vergnügt

DAS GANZE GEDÖNS…

Panoramabild 11

documenta 13

meine fantasie
bleibt auf der strecke
mein ganzes poetisches ansinnen

die kunst
sie springt mich an
lässt mich fallen
geht mit mir
in grossen überlegungen
erschlägt sie
mein kleines ich
stückchenweise
springt es
vor mir her
das ganze gedöns
einer weltausstellung
schreit
fang mich
nimm mich
wieder fort
und geh

rosadora
20. august 2012

BIRKE IM NEBEL…

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Das Summen ist verstummt, das du verschleiert
im Innern deines Laubgeriesels sangst.
Der Tanz geschieht nicht mehr, den du gefeiert,
als du die Zweige weich und langsam schwangst.

Und auch die Farben sind, die helle Rinde,
das Gold der Beugung, das durchflirrte Grün,
erloschen.Nur das Graue gilt und Blinde,
das dich umhüllt mit sickerndem Versprühn.

Und dennoch trägst du dich, ein leichter Schatten,
im Zwielicht unverwechselbar empor
und bist noch luftgelöster mit dem matten
Gehänge deines Haares als zuvor.

So hat der Tag, der dir das Trübe sendet,
dich, wie du´s duldest, erst zu dir vollendet.

Manfred Hausmann