hekate…

hekate, die dreiwegegöttin, hatte sie gerufen. eine nach der anderen. erst die jüngste. sie war weiss gekleidet und schön wie eine aufblühende rose. leichten fusses, etwas tänzerisches war in ihrem gang, näherte sie sich der wegkreuzung.
hekate winkte sie zu sich. was sind in deinem leben die drei wichtigsten dinge?
die junge war ganz überrascht über die frage und musste überlegen. drei dinge, das müsste ich überlegen. wenn sie dir wichtig wären, würdest du sie wissen. ja, aber es waren so viele dinge wichtig in meinem leben. die junge hatte den verdacht, dass – würde sie drei dinge nennen – auch nur noch diese drei ihr leben ausmachen würden. sie versuchte, die entscheidung hinauszuzögern. sie würde die antwort später sagen. hekate war mürrisch. sie willigte ungern ein.

aber da die zweite frau sich schon näherte, wandte sie sich dieser zu. ausladend und rot gewandet schritt sie hekate sicheren fusses entgegen. sie streckte die hand aus, als wären sie gute alte bekannte. das waren sie sicher auch. schliesslich hatte hekate sie alle drei bei ihrer geburt in die welt geholt. seit dem hatte sie keine der drei wiedergesehen. mit dieser roten kam sie leichter ins gespräch. die hatte viel erlebt in ihrem leben. sie erzählte, dass es heiter war und schwierig. dass sie sich bemüht hatte und mit dem ergebnis zufrieden war, aber… was, aber, sagte hekate. was willst du noch. sag es mir, sag mir die drei wichtigsten dinge in deinem leben. sie überlegte nicht lange. das war ihr selbst schon oft in den sinn gekommen. sie wollte ein gutes ergebnis in ihrer arbeit sehen, gesundheit und langes leben. ja, als ich in deinem alter war, wäre mir das dazu auch eingefallen.
sie hatten noch viel gemeinsames auszutauschen und hätten noch lange so weiterreden können.

da kam die dritte fast energisch auf hekate zu. schwarz trug sie. von kopf bis fuss war sie eingehüllt. der wind fächelte spielerisch in ihrem haartuch. sie hielt sich enorm gerade für ihr alter. als weise alte kannte sie die fragen der hekate schon und auch die antworten der jüngeren. sie musterte sie mit schrägem blick und setzte sich, ehe ihr der platz angeboten wurde.
nun sag schon, was erwartest du von mir. ich habe alles gehabt – den überflusss, die trapazen, den ärger, die freude, was sollte ich da noch begehren. sie schüttelte den kopf, als wäre da noch etwas, ein rest, ein heimlicher wunsch.
hekate blieb das nicht verborgen. nun sag schon. hinter deiner rauhen schale ist doch ein geheimnis verborgen. jetzt schüttelte die weise alte nicht mehr ihren kopf, sondern wippte mit ihrem oberkörper immer vor und zurück, vor und zurück, als müsse sie sich durch etwas hindurch ringen. da hob sie an, stand sogar auf und sagte, ihr habt von drei dingen gesprochen, die euch wichtig sind – die können sich alle erfüllen. ich sage euch, es fehlt das wichtigste, die liebe. die liebe ist für mich das einzige, was zählt.
die drei hatten noch ein schönes gespräch mit hekate. diese, das sahen sie erst jetzt, hielt eine dicke, fette kröte auf ihrem schoss. sie waren neugierig aufeinander. sie alle waren ja eine, sie alle waren hekate. sie feierten noch lange. sie assen und tranken und lachten. barfüssig tanzten sie wild umeinander herum. die drei frauen fassten sich an den händen und bildeten einen kleinen kreis um hekate, die gesichter nach aussen gewandt. und in der stunde, wo die sonne ihre ersten strahlen durch die nebel schickt, stehn sie versteinert und können sich nicht mehr bewegen. auch rufen können sie nun nicht mehr, rufen, dass hekate sie wieder lebendig machen soll. sie sind hekate.