HILDE DOMIN – 27. JULI 1909…

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wie wenig nütze ich bin
ich hebe den finger
und hinterlasse
nicht den kleinsten strich
in der luft

die zeit verwischt
mein gesicht
sie hat schon begonnen
hinter meinen schritten im staub
wäscht regen die strasse blank

ich war hier
ich gehe vorüber ohne spur
die ulmen am weg winken
mir zu wie ich komme
grün blau goldener gruss
und vergessen mich
ehe ich vorbei bin

ich gehe vorüber –
aber ich lasse vielleicht
den kleinen ton meiner stimme
mein lachen und meine tränen
und auch den gruss
der bäume im abend
auf einem stückchen papier

und im vorbeigehn
ganz absichtslos
zünde ich die ein oder andere
laterne an
in den herzen am wegrand

hilde domin

sie liess einiges zurück – den ton ihrer stimme – ich höre ihn noch.
ihr lachen ging über auf die menschen, denen sie ihre texte las, obwohl es in ihren texten nicht allzuviel zu lachen gab. es waren ihre erregungen, ihr aufgebrachtsein, wenn nicht der richtige stuhl und tisch für sie dastanden – kein sesselchen, kein tischchen zum bequemen sitzen – die den menschen ein schmunzeln ablockten.
die lichter, die sie anzündete, absichtslos, wie sie sagte, brennen noch heute in den herzen der menschen.
und das erinnern, an eine kleine frau, die es sich vorgenommen hatte, der welt zu erzählen, vor allem den jungen menschen, wie es war und dass es nicht gut war wie es war und ihnen ans herz legte, daraus zu lernen und es besser zu machen.
alles im vorbeigehn…

13 thoughts on “HILDE DOMIN – 27. JULI 1909…

  1. Es ist eines meiner liebsten Gedichte von Hilde Domin. Und Du hast Recht, viele Lichter brennen heute noch in den Herzen der Menschen, sie berührt immer wieder mit dem geschriebenen Wort, hinterlässt aufs Neue etwas in der Welt und so soll es bleiben.
    Ich wünsche Dir einen sommerlich schönen Tag.
    Liebe Grüsse von
    Hermann Josef

  2. es gibt worte, die verfliegen sich, und, lieber hermann josef,
    es gibt worte die überleben – vielleicht uns alle. hilde domins worte könnten so eine gewichtigkeit haben.
    danke für deine worte.
    dir auch einen sommerlich schönen tag, obwohl das hier
    heute nicht zu klappen scheint. kühl, sehr kühl…
    rosadora

  3. hast du das video „ich will dich“ gesehen? es ist klasse! kann ich wärmsten empfehlen – die letzten 2 Jahre der Domin hautnah gefilmt

    lieber gruß

    Bea

    (ich lese gerade ihre neue Biographie)

  4. Es ist ein vertrauter Gedanken zu lesen, den sie niederschrieb, von der Winzigkeit unseres Seins in der Größe der Natur.
    Und sie hat so viele schöne Worte hinterlassen, die immer und immer wieder berühren.

    ..grüßt Monika

  5. Wunderschön ist das – und dein Text eine liebevolle Femmage! Danke sehr.

    Liebe Grüsse,
    Brigitte

  6. WEITERES ZU HILDE DOMIN UNTER

    ROSADORA.DE HILDE DOMIN

    ODER UNTER LITERATUR HILDE DOMIN
    ODER UNTER FRAUEN HILDE DOMIN

    HIER IM BLOG

  7. Ich mag sie, habe sie einige Male live erlebt, kenne den Film und habe mit großem Interesse ihre Biografie gelesen (zu lesen auf meinem Blog, wenn ihr wollt), habe die Gedichtsammlung immer in Reichweite.
    Dank dir für die liebevolle Beschreibung.

  8. ja, ich auch, monika,

    wo finde ich denn deinen beitrag. habe den suchbegriff eingegeben, aber es öffnete sich nichts…

    schreibs mirs im mail, danke
    und
    rosadora

  9. Ich bin ja eher sehr visuell orientiert, aber dieses Gedicht hat mich doch sehr berührt. Bestimmt werde ich auf meinen nächsten alleinigen Fotostreifzügen an diese Zeilen denken.
    Schön, es hier bei dir gelesen zu haben.
    Ganz liebe Grüße an dich, Gabriele

  10. dein blick begeistert mich auch immer, liebe gabriele,
    und dass dieses gedicht dich erreicht – wunderbar.
    bei den nächsten fotos schaue ich, ob etwas davon eingeflossen ist…

    rosadora, die dich herzlich grüsst

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