nicht beschlabbern…

rauhreifspaziergang, ast mit weitwinkel, kleine kamera

sprichwörter beruhen auf erfahrungen von generationen. ‚du darfst es nicht beschlabbern’ ist so eines. auch eines, das sich bewahrheitet hat. gestern schrieb ich von den ‚schönen tagen’. und wie das so ist, dachte ich schon gestern an dieses ‚beschlabbern’. das wetter ist umgeschlagen, die ‚reihe von schönen tagen’ unterbrochen. auch der gedankenfluss ist bei trübem wetter etwas zäh. es ist, als läge etwas beschwerendes auf meinem hirn. die müdigkeit sitzt gleich nebendran. die glieder fühlen sich bleiern an. du kannst dir vielleicht nicht vorstellen, wie bleierne glieder die worte lähmen. ich habe den verdacht, dass sie nicht ausschliesslich aus meinem kopf kommen. getrude stein hatte dieses bild, dass sie durch ihren arm in die hand und von da aufs papier flössen. ich bin sicher, sie fliessen durch unseren köper – ‚ die blutkanäle hinunter, dass es rauscht in den adern’, ein älteres gedicht, über 20 jahre alt. da hatte ich die gleichen empfindungen und es ‚rauschte’ noch in den adern. ob das heute noch so ist, wage ich zu bezweifeln. es geht etwas sachter vor. die ‚kanäle’ sind leicht verkalkt und verhindern das rasche fliessen. kalkbrocken legen sich in die quere. noch werden sie umspült, aber der bau der barrikaden ist voll im gange.
das ‚beschlabbern’ ist im duden etwas, wie sich bekläckern. so hiesse das, wenn ich über etwas schönes spreche und es bemerke, dass ich es beschmutze. aber mit dem erwähnen ist es ja noch nicht ‚in den dreck gezogen’ – auch so ein sprichwort.. ich nehme es ja lediglich wahr. naja, wenn ich diesen goetheschen satz genauer besehe, schwingt da ein quentchen bedenken mit. ‚alles in der welt lässt sich ertragen, nur nicht eine reihe von schönen tagen.’ da stöhnt es mir schon etwas entgegen, schwingt auch die unausgesprochene hoffnung mit, sie mögen sich verziehen, die ‚schönen tage’. vielleicht ging es ihm wie mir, dass an schönen tagen zwar die gedanken sich formierten, es aber all zu schwer war, sich in ein zimmerchen zu verkriechen und brav seine texte zu schreiben. damals schrieb man ja noch mit der hand und es war ein leichtes, das ränzlein zu schnüren, das buch mit den leeren seiten darin und einen stift – bleistift nehme ich an, kugelschreiben kannte man noch nicht – sich unter einen schattenspendenden baum zu setzen und loszulegen.
inzwischen ist es ja auch möglich, mit dem laptop unterm arm loszuziehen in die freie natur. aber zur zeit habe ich keinen und bin verkabelt, also an mein ‚zimmerchen’ gefesselt, wenn ich schreiben will. zum stift zu greifen, in der zeit der schnelligkeit, ist mir gar nicht in den sinn gekommen. aber ginge ja auch. na, nächstens. ich habe den verdacht, dass sich in den verhaltensweisen der menschen – meinen – noch ganz andere dinge geändert haben. man setzt sich nicht mehr einfach so irgendwohin, um zu schreiben. ich sehe das auch bei anderen nicht. und das vordenken, das sich ja im freien vollziehen könnte, das ist ebenso nicht mehr die sache der menschen. alles muss gleich heraus. die speicher sind kürzer eingestellt. ein text, der jetzt bewegt, muss morgen längst vergessen sein, muss gleich auf den weg gebracht werden.

sprichwörter haben keine konjunktur. hin und wieder begegnet man ihnen noch und meistens bei älteren menschen. ich denke, dass das damit zusammenhängt, dass sich die lebensstrukturen so rapide verändert haben.
dass ‚die dümmsten bauern die dicksten kartoffeln haben’ – auf was sollte das heute noch anwendbar sein. die karriereleitern werden von vitamin b verstopft, die bauern können es sich gar nicht mehr leisten, die kartoffelernte dem zufall zu überlassen. aber ich werde mal darauf achten, wie viel zeit verstreicht, bis ich dieses sprichwort mal wieder höre.
dass eine reihe von schönen tagen schlecht zu ertragen ist, das glaube ich immer noch. doch wir haben bei jedem wetter einen spruch parat, wenn auch nicht immer einen sprichwortähnlichen. das wetter ist das bevorzugteste thema überhaupt – nach der börse…