ALTE TÜCHER…

alte tücher…

die schönheit alter tücher liegt in ihrer betrachtung. wir sehen in ihnen die bewegtheit vergangener zeiten. wir verbinden uns mit den darin verborgenen nostalgischen gefühlen. wir lassen uns fallen in unsere gedanken und in das morbide, als könnten wir darin aufgefangen werden. das verblassen färbt unsere zeit und lässt die alte zeit aufleuchten in ihren echten farben. was war und was sein könnte hatte zu jeder zeit einen besonderen reiz – den reiz des unerkannten. geheimnisvoll legt es sich zwischen das damals und jetzt. wir selbst entziehen uns dem augenblick in der gegenwart. wir verfolgen spuren in längst vergangene zeiten und nennen sie den weg zu unseren wurzeln. die vergangenheit nennen wir das woher und die zukunft das wohin, den moment, in dem wir leben, das hier und jetzt. ich benenne es gerne als ‚und ich selber mittendrin’.
in den alten tüchern möchte ich nicht stecken. sie täuschen mich mit ihrer farbigkeit nicht über den ständigen verfall hinweg. durch die schönen stickereien schimmern die blutigen finger, die krummen rücken, entzündeten augen blicken mich an, ganz zu schweigen von niedrigem lohn. frage um frage taucht auf nach der unverstandenen vergangenheit, so sehr ich mich auch bemühe, bekomme ich keine klärenden antworten. der vorgang des spinnens und webens scheint mir ein mühevoller. nichts ist härter auf der haut, als ein aus leinen genähtes tuch.

gedanklich greifen wir gern zu alten tüchern – feste meinungen, an die wir uns lehnen wie an ein gerüst. wie alte tücher sind auch die alten gedanken porös und brüchig. als menschen sind wir in einen fortgang eingebunden.
so rasant er auch zu werden scheint, wir können uns ihm nicht entziehen. wir selbst treiben ihn an, immer schneller, immer spezieller. soweit, bis er uns einmal überholt und wir keine tücher und keine gedanken mehr brauchen – schon gar keine alten.

rosadora
17.03.06

POESIE – EINE ENTSCHEIDUNG…


,jeder gegenstand kann poesie sein, wenn du dich dafür entscheidest…. ein stück brot auf dem tisch, wir haben es jeden tag, und plötzlich ist es eine erscheinung. das stück brot wird mysteriös, denn es ist mysteriös. aber wir nehmen uns nicht die zeit das zu sehen. 
aber wenn wir uns die zeit nehmen etwas zu betrachten, dann wird dieses etwas zu einem poetischen objekt, einem poetischen gefühl oder einem poetischen gedanken.‘
etel adnan

das „stück brot“ war für louise bourgeois als kind die entscheidung zur kunst und poesie. ihr vater ließ sie nicht zu wort kommen, da knetete sie sich die dinge selbst zurecht. du kannst sehen, was du willst, wenn du dich dafür entscheidest.

CARMEN HERRERA …

SIE WURDE 106 JAHRE ALT…
am 14. februar verstarb sie in ihrer wohnung in new york.

zu ihrer langjährigen künstlerinnen ausdauer sagte sie:
„Ich mache es, weil ich es machen muss. Es ist ein Zwang, der mir auch Vergnügen bereitet“,

erst mit 89 jahren wurde sie mit ihren werken bekannt – verkaufte sie ihr 1. bild.
wie viele frauen – z. b. louise bourgeois – deren künstlerisches tun lange nicht wahrgenommen wurde,
blieben sie sich selbst und ihrem überzeugenden tun treu.

dass sie dann, nachdem sie „entdeckt“ wurde, in den canon der geldhaie geriet, war ihr vielleicht nach so vielen lebensjahren schnuppe.
„Heute befinden sich ihre Werke in Sammlungen des Museum of Modern Art in New York oder der Tate Modern in London. Bei einer Auktion verkaufte Sotheby’s 2019 das Bild „Weiß und Grün“ (1966/67) für 2,9 Millionen Dollar.“
DER STANDARD

s. wikipedia

KUNST IST LEBEN…

…SPRACHE IST KUNST

als mein vater aus dem krieg kam, war ich zehn jahre alt. wir hatten auf ihn gewartet und gewartet und gewartet – so lang kann man eigentlich gar nicht warten – und dann dies.
mäjen, din fadder is heim gekummen. und ich rannte und rannte und dann stand da dieser verwahrloste dreckige typ, den ich nicht kannte. meine enttäuschung war groß – so groß.

nachdem er sich nackt ausgezogen und in unserer zinkbadewanne geschrubbt hatte, war er das familienoberhaupt, basta.
er entpuppte sich als der große verhinderer und despot. er war furchterregend durch knallharte ansagen und verbote, war laut und gewalttätig.
hatten wir bisher versucht, die sprache der dorfbewohner zu erlernen, kam er nun und polterte sein kasseler platt. ich fuhr jedesmal zusammen, wenn sein kasernenhofton erklang.
unsere mutter sprach mit uns ihr nicht sehr ausgeprägtes hohes deutsch.

an den tag und den ort kann ich mich noch erinnern als ich beschloss, nicht so zu sprechen wie mein vater, den wir vati nannten. erstmal versuchte ich den slang meiner jungen lehrerin nachzuplappern – so etwas wie frankfurterisch. später dann entschloss ich mich, hochdeutsch zu erlernen – aber woher. in kassel wurde kein hochdeutsch gesprochen. an was ich mich orientierte, kann ich heute gar nicht mehr sagen. es war ein langsames herantasten, ein bröckchen hier, ein bröckchen da, und niemand konnte sagen, woher ich komme.

zwischenzeitlich muß es ziemlich geheimnisvoll geklungen haben. und meinen vater trieb es auf die palme, brachte ihn zur weißglut. er unterstellte mir, ich wolle etwas besseres sein. auf jedenfall wollte ich nicht in seinen tonfall einstimmen. das wurmte ihn – ja, ja, ich sollte ja ein junge sein und war nur ein mädchen. deshalb hatte er mich auch von der schule genommen mit der begründung – mädchen heiraten ja doch.

spät erst, nachdem ich alle bildungseinrichtungen genutzt hatte, die mir offen standen, studierte ich grafik design mir schwerpunkt fotografie. danach reizte ich die möglichkeiten der germanistik aus – mit schwerpunkt ästhetische kommunikation. im kurs für ausländische studierende war ich diesjenige, die die korrekte aussprache hersagen durfte. erst da wurde mir bewußt, dass ich die leiter des hochdeutschen wohl aus eigenen kräften erklettert haben mußte.

heute früh im bett, wo mich immer mal wieder lichtblicke, denkbänder, blitzschläge oder grübelmonster heimsuchen, erinnerte ich mich an einen vorfall im st. gallener kunstmuseum.

ein seminar oder vortrag
ZUR ENTWICKLUNG UND EINSCHÄTZUNG VON BILDHAFTEM

ist bildhaftes, im pc erstelltes, KUNST

ich nahm mir das wort
war stolz auf mich
vor all den schweizer/innenn zu sprechen
und gab ein statement
von dem ich selbst nicht die geringste
ahnung hatte
also
ja
die entwicklung wird dahin gehen
dass kunst aus dem pc einmal als kunst
anerkannt wird usw. usw.

danach kamen zwei weissgekleidete frauen zu mir
lobten meine aussprache und den warmen klang
meiner stimme

schweizerinnen
die kunst machten
so stellten sie sich mir vor
ganz in weiss
also alles was sie umgab war weiss
sie erzählten von ihrem zuhause
wo alles weiß war
vom tisch bis zum schrank bis zur kaffeetasse
sie waren künstlerinnen, wie sie sagten

ich habe sie nie besucht
und wohl auch kein großes interesse gezeigt

aber geschmeichelt hat es mir doch
meine klanghafte stimme gerühmt zu hören

ich wagte mich auch an lesungen heran
rose ausländer z.b.
in der schweiz und in deutschland

sprechen ist nichts selbstverständliches
wenn doch, ist es geplapper

rosadora 09.08.2020

GEORGIA O´KEEFFE AUF GHOST RANCH…

„Ich denke mehr über morgen nach als über heute oder gestern. Ich gehöre nicht zu denen, die dem Gewesenen nachtrauern. Ich glaube, ich könnte in einem Gefängnis leben, solange ich nur ein Stück blauen Himmel sehe.
Aber das hier ist meine Welt. Was man in den Städten sieht… nun ja, da ist mir der Blick aus dem Fenster auf Salbeibeete doch lieber.“

nun ja, GHOST RANCH ist alles andere als ein gefängnis. sie ist die GROSSE WEITE WELT im besonderen, befreiend und beängstigend zugleich, und wie geschaffen für eine künstlerin mit so viel fantasie und ausdruckskraft und starkem willen.

JOHN LOENGARD
GEORGIA O´KEEFFE AUF GHOST RANCH
SCHIRMER/MOSEL
2016

…….

https://www.fondationbeyeler.ch/ausstellungen/georgia-okeeffe
in der fondation beyeler/basel schweiz
ist noch bis zum juni eine ausstellung von GEORGIA O.KEEFFE
zu sehen
beyeler ist ein wunderbar geeigneter raum unf einfach
übersichtlicher als zwischen vielen anderen bildern in großen
galerieen..

SCHLÄFT EIN LIED…

SCHLÄFT EIN LIED IN ALLEN DINGEN_04.01.08

040108_magie-der-steine_wilhklka-045_400pix.jpg

schläft ein lied in allen dingen,

die da träumen fort und fort,

und die welt hebt an zu singen,

triffst du nur das zauberwort.

joseph von eichendorff

das bild ist mit dem lied, der melodie, eng verbunden. ich kann nicht sagen, was zuerst da ist – ob ich das bild finde und darauf das lied erklingt, oder umgekehrt.
vielleicht gehe ich auch mit einer melodie in mir und bin so gestimmt auf den erforderlichen blick, den ich brauche, um mich auf die dinge einzuschwingen, um kleinstes im grossen zu entdecken.

ich trete an einen riesigen findling und halte meine kamera ganz dicht daran. ‚was sehen sie denn da’, fragt mich ein mann. ‚kommen sie. ich lasse aus einer kleinen flechte einen baum in der wüste werden’. er schaut auf das display und staunt. ‚verrückt’, sagt er und winkt seine frau heran. ‚schau mal’.

den dingen aufmerksam begegnen, ihnen respekt entgegenbringen, in ihnen den zauber des universums entdecken. wie froh mich das macht. und wenn die sonne, die lichtbringerin, ihren charme spielen lässt, die kleinen dinge durchleuchtet und die grossen dinge klar sehen lässt, bin ich der glücklichste mensch der welt.

das leben ist die kunst der begegnung. 
(vinícius de moraes)
ich begegne menschen, dingen, tieren und den elementen gleichermassen. aus diesen begegnungen entsteht etwas tiefempfundenes und unwiederbringliches, das ich speichere in meinem herzen, in meiner seele, in meinem ganzen körper, und etwas von der schönheit und dem licht beginnt zu leuchten.

 

EIN GEDICHT KANN MEHR…

KLAUS STAECK…

Klaus Staeck über die Krise der Linken: "Es wäre absurd, jetzt zu Kreuze zu kriechen" - DER SPIEGEL

diese postkarte – entdeckt auf der documenta – riß bei mir eine neue denkzeit an
dass worte für mich ihre bedeutungen veränderten und mein nachdenken an kraft gewann
vielleicht war es für mich der start, dass ich begann gedichte zu schreiben

Klaus Staeck war Teilnehmer der Documenta 5 in Kassel im Jahr 1972 in der Abteilung Parallele Bildwelten: politische Propaganda.
(Er war auch auf der Documenta 6 (1977), der Documenta 7 (1982) und der Documenta 8 im Jahr 1987 als Künstler vertreten.)