ADLERFARN…

MEIN NEUES BUCH IST DA
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ADLERFARN
EINE HASSLIEBE IN BILDERN
reinhardswald
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farne entführen in das zauberland des schattens. sie sind symbole des schattens, des geheimnisvollen und des verborgenen. feen und zwerge tummeln sich unter farnen. den farnfeen das geheimnis des farns zu entlocken, ist ein schwieriges unterfangen. feen sind verschwiegene wesen und für die meisten unsichtbar obendrein. nur, wer den farnsamen bekommen hat, ist ebenso unsichtbart und kann sich mit ihnen verbinden. das ist dann ein zustand, oder besser gesagt ein geistesumschwung, der geheimnisse nicht mehr als solche betrachtet, sondern als etwas gegebenes.
so besteht keine gefahr, dass ein menschliches wesen, das den farnsamen hat, also unsichtbar ist, diese geheimnisse preisgeben könnte. dass es viele geheimnisse sind, ist ziemlich sicher. eigentlich hat jedes farnwedele sein eigenes und insgesamt, jeden wedel mitgerechnet, kommt da ein riesiger geheimnisberg zusammen. den abzutragen ist den menschen nicht gegeben.

PARADIESGARTEN…

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nur wenige menschen glauben, das paradies auf erden gefunden zu haben.
sie tragen eine ahnung in sich, dass das paradies der ersehnte platz sein könnte. wie und wo er ist, können sie nicht sagen. es ist mehr ein gefühl, das geborgenheit vermittelt, nach der sie sich sehnen. ein innenort sozusagen.

wenn ich mit meiner mutter in ihrem garten sass, die sonne schien und die vögel zwitscherten, muss sie diesem gefühl ganz nahe gewesen sein. sie sagte, dies ist mein paradies, breitete beide arme mit geöffneten handflächen, als wolle sie ermessen, was ihr so zu herzen ging.

in letzter zeit, nach ihrem tod, ich kenne den zusammenhang nicht, bin ich in einem kleinen teil meiner erinnerungen hocken geblieben – es ist der hoppegarten, der mir gegenwärtig ist aus meiner kindheit und nichts gegenwärtiger als dieser.
wir waren auf ein dorf evakuiert. wir hatten einen garten und noch einen und noch einen, in dem meine mutter pflanzte und erntete für unser leibliches wohl.
dieser fleck erde ist mir mit seinen gerüchen und farben und ereignissen vor augen, wenn ich kindheit denke. das paradies meiner kindheit.

heute fotografiere ich im urwald mit schöner regelmässigkeit und ausdauer.
ich gehe auch schon mal über die grenzen in den angrenzenden reinhardswald.
letztens als ich die huteallee in beberbeck und die gebäude der domäne fotografierte, kamen mir die gedanken, dass ich meine paradiesische zeit nicht verloren habe, dass ich sie nur verlegt und ausgedehnt habe. die ganzen wälder und felder ringsherum ein einziges paradies.

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ANGELUS BAUMI…

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es sieht aus, als würde ich gerade einem geburtsvorgang beiwohnen, der geburt eines urwaldengels. dabei hatte ich angenommen, dass sie vom himmel kämen und leben und tod längst hinter sich hätten.
er reckt sich in der sonne, dem lichte entgegen. hier bin ich, scheint er zu rufen und macht mit ausgestreckten armen auf sich aufmerksam. es ist eine freude, ihn in seinem holzgemasertem kleid anzuschaun. er strahlt zuversicht aus.
er hat mich überrascht – urwald und engel. da muss ich meinen kleinen geist weiten und mir klar machen, dass in einem urwald jede gestalt stellvertretend erscheint. und in diesem falle wird das erscheinen sehr deutlich.
vorerst lasse ich ihn gewähren. er muss ja erst einmal begreifen, dass er als urwaldengel nicht hinauf in den himmel kann, dass er gefesselt ist in seinem baum. ob ihm diese tatsache sicherheit geben wird, weil er jetzt ja einen festen platz hat, oder ob ihn die sehnsucht nach grösseren flügen zerfressen wird, ist nicht zu sagen.
ich zermardere mir den kopf, was ihn dazu getrieben haben könnte, sich ausgerechnet hier zu manifestieren. und ob ihm bewusst ist, dass er an dieser stelle einen ganz bestimmten auftrag erfüllt.
in dieser aufrechten gestik könnte es sein, dass er die menschen wachrüttelt – nicht soll, denn ein bewusstsein rechne ich ihm nicht zu. vielleicht täusche ich mich ja.
mein wort an ihn zu richten würde ihn sicher irritieren, auch meine frage, warum seine flügel so kurz geraten sind, oder ob sie ihm unterwegs abhanden gekommen sind. erst noch muss ich mich mit ihm vertraut machen.

dass ich ihn fliegen lassen werde in meinen gedanken, werde ich ihm später sagen

ALLERLEI GETIER IM URWALD…

jetzt rundet sich das jahr, mein urwaldjahr. in fast wöchentlichen abständen habe ich meine beobachtungen gemacht. es sind jedesmal neue. immer sieht es anders aus, immer wieder entdecke ich neues. das wird auch nicht enden.
der urwald ist mir zur lebensrettender gewohnheit geworden. die bäume und fantasietiere sind mir vertraut. sie gehören zu meinem leben.

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die riesenschlange hält sich mühsam aufrecht…

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mein kriechtier überrascht mich im grünen überzug…

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diesen knülch hier sah ich noch nie…

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baumengel überschaut alles…

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lahme ente duckt sich und will gestreichelt werden…

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der quack schreit laut, damit ich ihn nicht übersehe…

DAS UNVERMUTETE SEHEN…

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MOSCHUS-MALVE..

das unvermutete sehen.
der reinhardswald bietet vieles, nur nicht unbedingt eine blumen- und blütenpracht.
der adlerfarn ist beherrschendes fossil und wenn man sich vorstellt, dass er in urzeiten einmal bis zu 30 meter hoch wurde und ganze wälder bildete, sind die heutigen pflanzen mit ihren 2 bis 3 meter hohen wedeln, die ganze waldteile abgrenzen und uneinnehmbar machen, vergleichbar nur ein überbleibsel.
ihn zu fotografieren ist ein unterfangen. ein wedel legt sich über den anderen. im sommer ist er grün, grün und einfach nur grün. eine kleine gelbfärbung ist die ausnahme, das ist erst im herbst dran. trotzdem suche ich so eine ausnahme, suche einen farn, der sich besonders abhebt, von was auch immer, ein dunkler waldhintergrund, der himmel, oder ähnliches.
im urwald suche ich heute stellen auf, in denen sich der adlerfarn nicht breit gemacht hat.

auf knorriges und knorziges habe ich es abgesehen, das urigen gestalten gleicht, einen wesenszug erhält, indem ich es wahrnehme. ein solch gelungenes foto macht mir freude, ist das kleine glück des tages. gestern kam ich sogar auf zwei – etwas milder betrachtet – drei urwaldgetiere. ich werde sehen, ob sie mir was zu sagen haben und ob ich es heraushöre.

auf der heimfahrt schaue ich dann nur noch mit schritttempoblick. ich kann nicht stundenlang aufmerksam schauen. die aufmerksamkeit lässt nach, aber ganz lassen kann ich es auch nicht.
ich bin schon fast am rande des reinhardswaldes, als mich ein farbfleck auf die bremse treten lässt. ich bin schon vorbei und muss ein stück zurückfahren.
es ist ein riesiger busch mit moschus-malvenblüten. wahnsinn, denke ich, und fotografiere drauf los. das ist ein glückstreffer. schmetterlinge und bienen finden das auch.
dann erst frage ich mich, wie ist er bloss da hin gekommen? ich habe nur eine erklärung.
hier kippen menschen ihren gartenabfall aus. schön denke ich, dass es gartenabfall und kein übler müll ist.
erde nimmt vieles auf, und erde gibt auch vieles her.

dass es eine malve ist, habe ich gewusst. dass es eine moschus-malve ist, habe ich im internet gefunden. es ist ein schöner name, und erinnert mich an else lasker-schülers moschusgedicht…

alter tibetteppich

…süsser lamasohn auf moschuspflanzentron…

ich entwerfe aus meinen moschus-malvenblüten diesen zauberhaften pflanzentron, umgebe mich mit dem duft von moschus und falle, falle ins zauberland…

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VOM WEG AB…

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den genauen zeitplan kannte ich nicht. ich machte mich auf den weg und fragte mich, wohin er mich führen würde und was das ganze soll.
laufen, schneller voran kommen und um das zu erfahren, war nur eine möglichkeit. ich entschied mich für das schlendern, machte immer mal wieder eine pause zwischendrin und wich ab und zu vom weg ab.
dabei merkte ich, dass das abweichen einen besonderen reiz hatte. es gab dinge zu sehen, die ich an keinem weg hätte finden können. menschenleer war diese gegend sowieso. meine neugier wurde befriedigt und das ist der grösste anreiz für abweichungen.
ich begann sie zu lieben.
so war ich vom weg abgekommen und das machte mir spass, bereitete mir ein riesiges gefühl von freiheit – frei von alltäglichem, frei von verpflichtungen, frei auch von lästigen begegnungen, sogar frei von gedanken. zwar liefen da welche in mir herum und um mich her, aber die nahmen so völlig andere gestalt an als üblich. sie eröffneten mir einen neuen aufenthaltsort für meine fantasien. ja, fantasie war üppig vorhanden. das machte vielleicht dieses auffällige grüne grün um mich herum. ich liess mich fallen. das tat unheimlch gut. alles um mich herum war leicht. es begleitete mich, flog sozusagen mit mir. wir hatten grosses vertrauen zueinander, diese wahnsinnsgrüne fantasie und ich.
plötzlich wurde es lebendig um mich herum. urwaldwesen hängten sich an mein geschlender und zwangen mich zu noch grösseren pausen. sie wendeten keine gewalt an, sie fesselten mich auf besondere art. es entstand ein dialog mit märchenhaftem gebaren.
ich fühlte, dass dies mein ort war und ich zögerte, auf den mir vorgegebenen weg zurück zu gehen. diese urwaldwesen ermunterten mich, es trotzdem zu tun. ich könne doch jederzeit wiederkommen. das tröstete mich sehr und ich versprach wiederzukommen – immer wieder.