‚…formt wilder strom der zeit ein lächeln rund…’ (K.W.)

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vom zeitstrom werden wir weggeschwemmt. schneller trägt er uns davon, als wir dachten. verletzender gebährdet er sich, als wir es wünschten. überrumpelnder ist seine wucht, als wir es uns in unseren köpfen hätten ausmalen können.
der zeitstrom reisst alle mit.
den strom als bild für die zeit zu benutzen, ist ein gefährliches bild. ströme haben etwas mit wuchtigem dahineilen, mit gefahr und überschwemmungen gemeinsames. wir können ihn mit menschenkraft nicht aufhalten, nicht kontrollieren und schon gar nicht in den griff bekommen. es ist bei diesem bild vorgegeben, dass es uns überrollt, dass uns die zeit überrollt, das wir sie nicht langsamer verstreichen lassen können. in dem fall wäre es kein strom mehr. das bild des zeitstroms würde in sich zusammenbrechen.
dass der zeitstrom ein lächeln rund formt, ist ein schmeichelndes bild. dass ein wilder strom der zeit dieses vermag, stellt sich gegen meine kraft, bilder aus worten zu formen, bilder der sprache anzupassen oder aus ihnen entstehen zu lassen. immerhin ist ein lächeln etwas zerbrechliches, zaghaftes, etwas verletzliches. ein wilder strom würde da grösseren schaden anrichten und das lächeln verschwimmen, ja, verschwinden lassen.
schon das bild eines zeitflusses wäre mir zu heftig, zu stürmisch fast, um ein lächeln zu formen. ja, steine, die vermag ein fluss zu schleifen, zu prägen auch. ein zeitfluss mag die zeitsteine aus oder in den weg schwemmen, sie an den ufern lagern zu einer restzeit, die übrig bleibt, mit der wir nichts anzufangen wissen. sie verhindert das fliessen durch masse, dadurch, dass sie sich in dem fluss breit macht. zur restzeit können wir uns lagern, uns von der verweilenden zeit, ein quentchen in unser zeiteimerchen schaufeln. auch könnten wir die zeit gestaltend nutzen. vielleicht würde uns das ein lächeln einbringen. noch kein rundes, aber eben angedeutet.
damit es sich rundet, das lächeln, denke ich mir das bild eines zeitbaches. leicht plätschert er dahin, gurgelt und räuspert sich, ist so sanft wie das abendrot im november. berührt das lächeln wie zufällig, eine geste des verliebtseins – der verliebtheit der zeit in ein lächeln.
ich steige in den zeitbach, lasse mich umschmeicheln, umplätschern, ohne das liebesspiel zu stören, werde von zeittropfen umsprenkelt, bis sie um mich eine zeithülle schmiegen, bevor mich der zeitbach weiter begleitet.