BÜCHER AUS STEIN…

MICHAEL RANKOWITZ
what dust will rise

fridericianum
110 nr. 144

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ich weiss nicht, was mich mehr anrührt – diese aus travertin von menschen gefertigten bücher – oder die vergeblichkeit, etwas verlorenes wiederherzustellen, nämlich die bei einer bombardierung 1941 der kurhessischen landesbibliothek im fridericianum verbrannten bücher.
nichts weist darauf hin, was in den büchern stand. wissen, das verloren ging, bis auf eine mittelalterliche handschrift, die im feuer bleibende schäden davontrug.

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michael rankowitz rekonstruierte mit hilfe von steinmetzen aus afghanistan und italien diese verlorenen bände aus travertin, einem stein aus den bergen von bamiyan, wo zwei buddha-statuen von den taliban gesprengt wurden.

BUDDHA BAMIYAN_119

er führte in einem höhlenkloster in der nähe der nische, in der einer der bamiyan-buddhas stand, ein seminar mit studenten durch. das traditionelle handwerk des steinmetzes sollte so wiederbelebt werden. die skulpturen der studenten werden bei der dOCUMENTA (13)-ausstellung in kabul gezeigt.

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es geht um die zerstörung von büchern,
verwüstung von kulturerbe und menschenleben.
die steinbücher können alle traumata der welt nicht aus der welt schaffen, aber durch die herstellung und begreiflichkeit von zusammenhängen zwischen verschiedener kulturen durch verstehen weiterwirken.

O D E R . . .

DIE WÄCHTER DER ZEIT
manfred kielnhofer

friedrichsplatz
in der organisation der occupy

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gestern hatten sie eine gute beleuchtung, dann leuchten und strahlen sie. mit der zeit ist es ebenso. sie haben sie im griff, oder …
den leuten machen sie freude, besonders bei gutem wetter. sie machen ihnen die zeit nicht streitig, aber für momente teilen sie sie mit ihnen. sie machen fotos, stellen sich zwischen die wächter, ach bitte… na klar…, so, als hätten sie sich entschlossen, den wächtern der zeit zur seite zu stehen. das jedenfalls könnte so ein foto dann ausdrücken.
aber alles täuschung… oder
zeit ist eine illusion… oder
fotos sind illusion… oder
und die menschen doch auch, oder etwa nicht…

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sie sind fotogen, die wächter der zeit. sie stehen herum, dumm, mal hier mal da, werden geschoben, versetzt und verletzt oder…

BRENNESSELLOB…

UNAUFHÖRLICH IV

etwas gewinnt für mich bedeutung, wenn ich seinen werdegang verfolgen kann. die brennessel begleitet mich von meiner kindheit an. wir haben sie gesammelt und kleingehackt an die ginselchen verfüttert. dass wir sie gegessen hätten, daran erinnere ich mich nicht.

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in den letzten wochen konnte ich sie in pierre huyghes kompostanlage, die er zum kunstwerk hat werden lassen, ausgiebig beobachten. erst gingen sie mir bis ans knie, dann bis an die hüfte und über die schulter und nun über meinen kopf hinaus. schnell sind sie gewachsen und haben sich mir in ihrer veränderung intensiv eingeprägt.
die pflanzen hier im loch haben alle eine art auf den geist von mensch oder tier zu wirken. welche das bei der brennessel sein könnte habe ich nachgeforscht. die meisten menschen mögen die brennesseln nicht. es ist unkraut und sie bekämpfen es. kneipp fand heraus, dass brennesseln von vielen zipperlein abhilfe schaffen können. ich erwähne sie im anhang…

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immer eindringlicher werden sie mir, die brennesseln, je häufiger ich an diesen ort komme. ich beobachte sie. vielleicht haben sie das gern, ich meine, dass ich ihnen beim wachsen zuschaue und wie sie sich recken und strecken, der sonne entgegen. neulich entdeckte ich, dass sie an ihren blattansätzen ableger hervorbringen, lauter kleine neue pflänzchen. das habe ich vielleicht schon mal gesehen, aber da hat es mich wohl noch nicht so interessiert. jetzt aber, in diesem moment, ruft es einen jubel und ein erstaunen in mir hervor. dem muss ich nachgehen, denke ich.

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dabei fand ich nicht nur die berichte von vielen heilwirkungen heraus, sondern auch, dass aus den brennesselstengeln garn gewonnen wird und sogar stoff. irgendwie will ich den brennesseln meine sympathie entgegen bringen. ich beschloss, mir garn zu kaufen und damit zu stricken. es ist ein sehr hartes garn. es wird nur von hand bearbeitet und gesponnen, also ein sehr kostbares garn.
das war der grund dafür, dass zu zeiten früherer kriege, in denen alle maschinen ausfielen, der stoff der brennessel, der ebenfalls nur von hand hergestellt werden kann, für kleidung von soldaten diente.

da der stoff, dem heilende wirkung nachgewiesen wurde und besonders für kleinkinder geeignet erschien, fand ich, dass er meiner angegriffenen seele und gesundheit ebenso guttun könnte. erstmal noch macht das garn mir wunde finger und ich kann es nur zaghaft verstricken. vielleicht bin ich damit auch erst im nächsten jahr fertig und ich werde meinen diesjährigen pflanzen nicht gegenübertreten können in meinem rauhen brennesselgarnteil. doch im günstigen falle ist ihnen vergönnt, rhizome zu bilden, so dass sie im nächsten jahr an genau der selben stelle emporwachsen können, vorausgesetzt, man räumt diese ganze anlage nach ende der documenta nicht wieder fort.

PERMAKULTUR- die idee…

PERMAKULTUR- die idee
SOMMERFEST VOR DEM FIDERICIANUM

permakultur ist ein weg, nachhaltige lebensformen und lebensräume zu unterstützen, zu entwerfen und aufzubauen. diese sollen für die natur und die menschen eine dauerhafte lebensgrundlage sichern: ökologisch, ökonomisch und sozial.

zufällig geriet ich hinein in das frohe fest mit so viel fröhlich lachenden, kontaktfreudigen menschen. sich hineintanzen in die herzen der menschen, ideen vortragen und überzeugen. das gelang mühelos, wie mir schien. mein interesse konnten sie wecken. ich bin auf dem weg, wenn auch noch nicht mit aller konsequenz.

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VON DER STIMME DES TAGTRÄUMERS…

THE WORKHOUSE: ROOM 2
ines schaber with avery f. gordon

handwrkskammer
436 nr. 158

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der beitrag setzt sich mit der geschichte des ehemaligen benedektinerklosters, arbeitshauses und umerziehungslagers breitenau auseinander. die arbeit, die im modernistischen gebäude der kasseler handwerkskammer gezeigt wird, schafft einen raum, in dem die ideen, die zum anlass für umerziehungsmassnahmen wurden, eine vorübergehende, dafür aber gastfreundlichere behausung finden können.

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sich zwischen verschiedenen historischen episoden bewegend ruft die arbeit die kritischen und imaginären erfahrungen und erkenntnisse thomas müntzers, ludwig pappenheims, ernst r.s, ulrike meinhofs und anderer ´schlechter´ arbeiter, ausreisser, häretiker, aufsässiger frauen und unangepasster in erinnerung, die sich weigerten gehorsam zu sein.
angeleitet von der stimme des tagträumers werden die vergangenheit und die gegenwart, sowie das noch-nicht des arbeitshauses, erneut imaginiert.

aus dem begleitbuch

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licht hellt auf das dunkel
licht fällt in den tag
helle dunkle vergangenheit
dunkler heller tag

vergangenheit und gegenwart
sind nicht zu trennen
türmen sich auf
in meiner erinnerung

rosadora

VERBORGENE RÄUME…

FATIGUES
tacita dean

ehemaliges finanzamt
420 nr. 48

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die treppe führt hinauf in die berge und geradezu von da in den himmel.
das alte finanzamt beginnt zu fliegen. fliegen musste sicher auch tacita dean, als sie nachdem sie erfuhr, dass das filmmaterial beschädigt sei, diese zeichnungen auf schieferwänden anfertigte. ein afghanischer kameramann nahm verschiedene schauplätze in kabul auf, die nun nicht zur verfügung standen. die ideen zu ´sturzflug´ und ´von der schneeschmelze anschwellender kabul-fluss´ konnte tacita dean noch entnehmen.

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die zeichnungen und das geländer ergänzen sich in einer weise, dass ich sie unmöglich auseinanderdenken kann. die steigerung treppe, berge, himmel ist gelungen.

c/o jolyon, 2012

der zweite teil der arbeit tacita deans besteht aus vorgefundenen antiquarischen vorkriegsansichtskarten des alten kassels, die sie mit ansichten derselben orte von heute übermalt hat und an jolyon leslie in kabul geschickt hat. sie bilden die brücke zu dem verlorengegangenen, bringen es in erinnerung durch gemälde ganz verschiedener art – hier die grossen kreidebilder, dort die übermalungen alter bilder und ersetzen durch neue ansichten.

tacita deans werk ist stark frequentiert. der kontrast alt und neu, zerstört und wiederhergestellt macht den reiz aus. sie sollten bleiben, diese bilder, egal, wie diese räumlichkeiten in zukunft genutzt werden.

WEISS IST WEISS – ODER…

WHT IS WHT? WHY THE WHY?
paul chan

friedrichstrasse 28
428 NR. 40
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alles in reih und glied ordentlich aufgereiht. ich schaue gern hin. eine dekorative installation. die buchtitel interessieren mich und die bucheinbände, ziemlich schlicht gehalten, viele in leinen und aufwendigeren materialien. denke auch, dass es schade ist um die buchinhalte, die vernichtet, aber nicht gelesen wurden, z. b. ´the index of american design´, oder ´encyclopedia of world art´ – pakistan – rembrandt.
doch kunst kann alles, darf alles, soll alles. ob es das, was es soll, auch vermittelt, ist nicht immer klar. ich sehe die überklebungen, kaum bilder, vielleicht bildchen zu nennen, sehe darin die ausmerzung der vergangenheit und das ungültigmachen von angeblich bedeutungsvollem, lese heraus die entstehung von etwas neuem, eines werkes, das einer spontanen und dann wachsenden idee entsprang, kann gut nachvollziehen, was den reiz ausmacht und warum es das publikum blendet und begeistert.
ich fotografiere die installation wie architektur etwas distanziert und auch seziererisch nah und auf die pelle gerückt. der eigenen fantasie sind keine grenzen gesetzt.

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´why the why´?

DRACHENKUNST IM SOMMERWIND…

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erst liegt es

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dann kriecht es

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dann steigt es

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dann fliegt es

40 kleine drachen auf einer schnur aufgezogen von einem grossen drachen gezogen steigen in den wolkenhimmel der karlsaue.
japanische drachenbaukunst neben dem chinesisch ´doing nothing garden´ von song dong.
mit den drachen liegt ein zauber über der landschaft, leicht und schwerelos flattert er in der luft. es stimmt mich heiter, eine weile fliege ich mit, flattere in erinnerungen.

METAPHORISCHE HEILUNG…

HUGENOTTENHAUS
theaster gates

friedrichstrasse
430 nr. 70

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das was es einmal war
1826 bürgerliches wohnhaus
hotel
seit 1970 leer

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das was es werden soll
labor für
objekte
performances
diskussionsveranstaltungen
festessen
installationen
gespräche
u.u.u.

DAS WAS ES ZUR ZEIT IST…

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es riecht nach lehm, nach feuchtem holz, fast rieche ich den tapetenkleister noch. viele wände habe ich in meinem leben tapeziert und gestrichen, teppiche herausgerissen und neue verlegt. ein leiser wind weht durch die räume.

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menschen drängen sich hindurch, fragen, wie finden sie das denn…
der blick in die gesichter, die wortfetzen, ach würden sie ein bild von mir machen auf diesem stuhl, ein ´tschuldigung´ nach einem anrempler, ein unverbindliches lächeln, mama, das klo fehlt hier, flüchtige gespräche, und der helle wahnsinn…

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meine aufmerksamkeit gilt zuerst den vielen wiederverwendeten dingen, eine wohnzimmerlampe im bad, eine türe als tisch, eine haustürklinke als schranktüröffner,
gestapelte holzwürfel als kunst, überhaupt viel kunst aus holzresten in rahmen gezwängt – meine lieblinge.

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ein nachgebildeter schuhputzthron, der den anschein erweckt, eine betbank zu sein, ein schwarzes kreuz im selben raum wie das goldene herz. das herz überwältigt alles andere. verputz an wänden, reste von kleber, treppen mit teppichresten beklebt, von einer wand zur anderen schräg versetzt.
die räume sind klein, schmal und lang, sicher wurden sie als hotelzimmer so umgebaut, ohne namhaften komfort. zur zeit werden sie bewohnt von den arbeitern und künstlern dieses unterfangens.

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ein spiegel der seelen, wie sie nach 1943 geschädigt waren und ein beispiel dafür, wie nach fast 70 jahren des versuchs zu vergessen, die erinnerungen aufbrechen.

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wenn menschen, wie theaster gates, in vielen praktiken und berufen zuhause wären, ich zähle 15, könnte sich die welt in etwas verwandeln, das sie weniger zerstören würde.
ich will nicht weiter ausholen, sondern durch das haus begleiten und dinge zeigen, wie ich sie gesehen habe.

ENDLOS – UNAUFHÖRLICH III

PIERRE HUYGHE
karlsaue
262 nr. 83

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jetzt steht es fest – die kompostlandschaft von pierre huyghe ist mein lieblingswerk der d13. ich entnehme es diesem, meinem begehren, mich immer wieder dort einzufinden, mir zu begegnen in der stattfindenden verwandlung. es lockt mich, zieht mich an diesen geheimnisvollen und spannenden ort.

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nun blüht es, endlich, das springkraut in seinen schönsten weiss- und rosatönen. mit seinem betörenden duft, orchideenähnlich, umschmeichelt es mich. himmelhoch ist es gewachsen und hat hier einen besonderen standort, mit gutem boden und vor stürmen geschützt. den bienen und hummeln ist es ein unwiderstehliches nektarangebot. die hiesigen pflanzen werden dadurch vernachlässigt.
das indische oder drüsige springkraut gilt als nicht giftig.

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die datura drängt sich leicht dazwischen und tritt in duftkonkurrenz mit dem springkraut. immerhin gebe ich ihm eine möglichkeit, mich zu becircen und an meine vergangenheit und vergänglichkeit zu erinnern, hatte ich doch mal solch einen baum mit 60 – 80 blüten.
die meisten teile der pflanze enthalten toxische halluzinogene.

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hanf cannabis – kann u. a. halluzinogen wirken und fällt in deutschland unter das betäubungsmittelgesetz.

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die verschiedenheit der pflanzen nimmt mit dem sommer zu.
fingerhut und holunder sind verblüht.
eine mir unbekannte rote bohnenart, der feuerbohne nicht unähnlich, schaut aus, als könne sie ein geheimnis bergen. einen herben, bitteren geschmack von unreifen bohnen kenne ich aus meiner kindheit. in rohem zustand sind sie stark giftig.

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die winden haben ein zartrosa krönchen aufgesetzt aus dem kelch, welcher die blüte gehalten hat.

die brennesseln sind über den höchsten stand ihres wachstums hinaus und werden etwas müde. frischer brennesselsaft wirkt (indianer) gegen schwächezustände. die roma empfehlen brennesseltee gegen zu niedrigen blutdruck. auf dem speiseplan gibt es vielerlei verwendung, brennesselkuchen und -pfannkuchen u. u. u.
„Die Brennessel ist die verachtetste unter den Pflanzen. Für den Kenner hat sie in der Tat den größten Wert“.
Sebastian Kneipp.
es gibt nichts, für das die brennessel nicht zu verwenden wäre.

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kugeldisteln und kratzdisteln in weiss bis zartem violett bis lila mischen sich unter die farbvielfalt.
johanniskraut, kamille, kleines springkraut, borretsch, dill und kamille, physalia.

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kletten, gras und schilf, zweizeilige gerste, blutweiderich, kannenpflanze (wohl extra gepflanzt), weidenröschen.
die herkulesstauden wurden entfernt, vielleicht wegen ihrer giftigkeit und ihrer weise, sich stark zu verbreiten und man kriegt sie nicht wieder los.
kornblumen, mohn, nachtkerzen, königskerze. alle haben sie einen hauch von süsse, ein fitzelchen giftanteile. aber richtig eingesetzt auch heilende wirkung.

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blühen und verblühen, das ist nur der eine teil, der mich so begeistert.
zwischen den hier abgelegten kulturbrocken, die wahrgenommen werden sollen als kontrast zu der sie umgebenden natur, versuche ich in meinen bildern verbindungen herzustellen, welche die verknüpfungen deutlich machen – alles ist mit allem verbunden.